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Erinnerung an das dunkelste Kapitel in der deutschen Geschichte wachhalten

Gleidingen.

Mit einer Gedenkfeier erinnerte die Stadt Laatzen am heutigen Donnerstag an die Pogromnacht von 1938. In der Nacht vom 9. auf den 10. November wurden die Synagogen unter dem damaligen Nazi-Regimes angezündet, Tausende von jüdischen Bürgern beraubt, gefoltert und verhaftet. Diese Nacht, auch Reichskristallnacht genannt, gilt als der organisierte Auftakt zur systematischen Diskriminierung und Verfolgung von Juden in Nazi-Deutschland.

Die heutige Gedenkfeier fand am Gedenkstein an der Hildesheimer Straße Ecke Thorstraße statt. In dieser Straße stand die Synagoge der früheren jüdischen Gemeinde von Gleidingen. In seiner Ansprache vor rund 60 Besucherinnen und Besuchern las der Bürgermeister von Laatzen, Jürgen Köhne, aus dem Bericht des Zeitzeugen Karl Hamburger vor. Der jüdische Kultusbeamte hatte die Geschehnisse in jener Nacht in der Kleinstadt Hechingen südlich von Tübingen beobachtet. Es kam zu Brandstiftung, Gewalt und Übergriffen. Ausgelöst von einer „Horde in Zivil“. Vorfälle wie sie in zahlreichen Orten in Deutschland passierten. Hamburger schilderte wie sich am Tag danach das Volk „die Sache“ anschaute. Während der eine Teil hämisch guckte, waren die Anderen entsetzt. „In dieser Nacht wurden jüdische Bürgerinnen und Bürger zum Ziel von Verfolgung und Ausgrenzung“, sagte Köhne. Der Laatzener Bürgermeister betonte, dass das dunkelste Kapitel in der deutschen Geschichte zeige, wohin es führe, wenn Rassismus und Nationalismus über die Werteordnung der menschlichen Gemeinschaft gestellt werden. „Ausländerfeindlichkeit und Rassismus haben in unserer Gesellschaft keinen Platz“, sagte Köhne.

Köhne erinnerte in seiner Rede an Mary Sofer, die im März 2017 verstorben ist. Die frühere Geschäftsführerin der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen sei ein „wichtiger Teil“ der Gleidinger Gedenkkultur gewesen. Sie habe sich unter anderem für die Verlegung der Stolpersteine eingesetzt und habe mit ihrem Engagement gegen das Vergessen gewirkt.

Marina Jalowaja, Vizepräsidentin der jüdischen Gemeinde Niedersachsen, sagte: „In dieser Nacht wurde das deutsche Volk auf die Probe gestellt. Die Menschen hatten die Chance, dem Wahnsinn Einhalt zu bieten. Es geschah das Gegenteil“. Auch heute gebe es wieder Anlass zur Sorge in Deutschland und Europa. „Die meisten Menschen haben heute keine lebendige Erinnerung mehr an diese Zeit. Deshalb ist viel Energie nötig, um die Geschichte nicht zu vergessen“, sagte Jalowaja

Schülerinnen und Schüler der Albert-Einstein-Schule zitierten zum Abschluss der Veranstaltung, Gesetze und Verordnungen, die nach dem 9. November 1939 in Nazi-Deutschland erlassen wurden, um das Leben der Juden „zu regeln“. Ein kleiner Auszug der Schikanen: Keine Geschäfte und Betriebe eröffnen, keine Schulen und Universitäten besuchen, keine Haustiere halten, keinen Friseur besuchen, keine Wärmestuben aufsuchen, blinde und behinderte Juden durften im Straßenverkehr keine Kennzeichnung ihrer Behinderung tragen.

„Das erinnert uns daran, dass auch gebildete Menschen zu solchen Diskriminierungen und Unmenschlichkeiten fähig waren oder sie nicht verhindert haben“, sagte ein Schüler zum Abschluss.

Für den passenden musikalischen Rahmen der Veranstaltung sorgte Joachim Walter.