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„Kinder“ sprühten die Soldaten auf das Auto- Vier Tage dauerte die Flucht mit den behinderten Kindern

v.l.: Opa Sergey, Oma Elena, Vater Sergey hält Natascha auf dem Arm, Tochter Eva, Mutter Liubuv hält Sohn Ivan, daneben vom BSK Peer Maßmann und Julia Berger.

Pattensen. Familie Tyschenko hat es geschafft. Die siebenköpfige Familie ist sicher aus der Ukraine herausgekommen und ist nun in Pattensen angekommen. Die Familie hat zwei schwerbehinderte Kinder, diese lagen bei der Flucht im Fußraum des Wagens. Nur wegen der Kinder und da er der einzige mit Führerschein war, durfte auch Vater Sergey die Grenze der Ukraine überqueren. Vier Tage dauerte die Flucht. .

Zunächst gelangten sie nach Berlin, von da nach Hildesheim und schließlich zum BSK (Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter) in Pattensen. „Wir haben gute Verbindungen nach Hildesheim. Als sie dort die Kinder mit Behinderung sahen, kontaktierten sie sofort uns und natürlich haben wir die Familie sofort aufgenommen“, erklärt BSK Vorsitzender Peer Maßmann. Neben Vater Sergey (39) sind auch Mutter Liubov (35), Oma Elena (58), Opa Sergey (67) und die Kinder Natascha (16), Ivan (9) und Eva (7) gesund und munter in Pattensen angekommen. Zu den Eltern von Sergey gibt es keinen Kontakt und auch seit Tagen kein Lebenszeichen. Natascha und Ivan sind schwerstbehindert und brauchen rund um die Uhr Betreuung. „In der Ukraine gab es keine Schulen oder Einrichtungen für die Kinder, die Mutter hat sich Zuhause um sie gekümmert“, erzählt Julia Berger, BSK. Zuhause hat die Mutter Puppen angefertigt, um sie zu verkaufen. 

Die Familie saß im Keller als eine Explosion das gesamte Haus zerstörte. Mit nur einer Tasche stiegen sie ins Auto und flüchteten. Liubov zeigt Bilder und ein Video des zerstörten Hauses. Vater Sergey zeigt ein Foto von der Straße, auf der noch tote Menschen lagen. Ukrainische Soldaten sprühten das Wort „Kind“ auf das Auto, damit es nicht beschossen wird, dann flüchtete die Familie Richtung Grenze.

Beim BSK haben sie nun ein Zuhause in der „Villa MitMensch“ gefunden und dürfen auch bleiben. Doch der Verein musste Möbel und Einrichtungsgegenstände besorgen, auch Kleidung und Nahrungsmittel mussten schnell besorgt werden. Seit dem 13. März ist die Familie in Deutschland. Seit dem 15. März beim BSK. „Wir sind ein gemeinnütziger Verein und haben im Grunde keine Rücklagen“, so Maßmann, „Wir haben einige Spenden bekommen, doch da wir keine Unterstützung von Bund, Land, oder Stadt bekommen, müssen wir alle Ausgaben für die Familie vorstrecken.“ Gut 2.000 Euro seien so schon zusammengekommen. Auch ein zusätzliches Auto benötigt der Verein, damit die Familie mobil sein kann, aber auch der Verein die anderen Bewohner befördern kann. Ein für Rollstühle angefertigter Van ist bereits gefunden und soll 7.000 Euro kosten. „Leider dauert alles sehr lange. Die Familie kann nicht zum Arzt, die Großeltern sind herzkrank. Wir sind enttäuscht, dass wir von den Behörden kaum Unterstützung bekommen und alles einfach nur lange dauert. In anderen Kommunen geht das alles schneller“, bedauert Maßmann. Leistungsanträge seien gestellt, ein Ergebnis lasse aber auf sich warten und solange bekommt die Familie kein Geld.

Doch es gibt auch gute Nachrichten. Die siebenjährige Eva kann in die Grundschule Pattensen gehen. Julia Berger nimmt sie gerne zusammen mit ihrer eigenen Tochter mit zum Reiten. Der BSK hat Kontakte nach Springe genutzt, damit die anderen beiden Kinder in eine Förderschule gehen können. „Da hat Liubov sofort angefangen zu weinen, die kannte es gar nicht aus der Ukraine, dass behinderte Kinder zur Schule gehen können“, so Berger. Sergey ist Schweißer und möchte arbeiten. Er dürfte auch Personenbeförderungen machen. Doch die benötigte Arbeitserlaubnis, oder ein für Deutschland gültige Führerschein gibt es noch nicht. „Selbst einen Parkausweis für Behinderte bekommen wir nicht. Da bekommt er doch sofort eine Strafzettel, wenn er seine Kinder irgendwo hinbringt“, wundert sich Maßmann, „Auch das ukrainische Geld der Familie konnten wir bei den Banken nicht eintauschen.“ Die Verantwortlichen beim BSK fühlen sich alleingelassen.

Sobald jemand die Wohnung der Familie betritt, fängt Natascha laut an zu lachen. Sie freut sich über jeden Menschen, den sie sieht. Verstehen können die Kinder die Situation nicht.

Die Eltern Sergey und Liubov sind den Menschen in Pattensen und Deutschland einfach nur dankbar. „Für unsere Kinder wünschen wir uns, dass wir hierbleiben können. Wir haben keine Worte für unsere Dankbarkeit“, spricht Liubov in ihr Handy und lässt es übersetzen. „Wir waren unter Beschuss und sind froh am Leben zu sein.“ Sie dankt Deutschland und dem BSK für die Hilfe.

Der BSK (Vor dem Steintor 5, 30982 Pattensen) würde sich über Geldspenden freuen, um die Familie weiter zu unterstützen. Aber auch Hygieneartikel (die älteren Kinder benötigen Windeln) sind gerne gesehen. Möbel und Kleidung seien vorhanden. Auch ein Fernseher für ukrainisches Fernsehen gibt es mittlerweile. „Wir hoffen, dass wir doch noch schnelle Hilfe für die laufenden Kosten und den PKW bekommen und so die Familie weiterhin unterstützen können“, so Maßmann.

Spendenkonto des BSK:

DE65 2512 051 0000 9485 103