Pattensen.
Die erste Frage war die nach dem ungewöhnlichen Termin. Das “Sommerloch” schien im Vorfeld kein guter Zeitpunkt für Information, Austausch und Diskussion zur Bestandsaufnahme der laufenden Legislaturperioden des Bundestages bzw. des Stadtrates von Pattensen zu sein.
“Wo stehen wir nach zwei beziehungsweise zweieinhalb Jahren Bundes- und Kommunalpolitik?” mit dieser Frage eröffnete Andrea Eibs-Lüpcke, Ortsvereinsvorsitzende der SPD-Pattensen, die offene Mitgliederversammlung Ende Juli im Calenberger Hof. Matthias Miersch, MdB und stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, sowie Ramona Schumann, Bürgermeisterin der Stadt Pattensen, waren gekommen, um sich dieser Fragen anzunehmen.
Nach Meinung von Matthias Miersch sind vier grundsätzliche Aspekte auf dem Weg der Bilanzierung unabdingbar in ihrer Betrachtung. Zum einen die Revisionsklausel, mit der laut Koalitionsvertrag zwischen SPD/CDU/CSU zur Halbzeit der Legislaturperiode überprüft wird ob die Zusammenarbeit in der GroKo weiterhin sinnvoll ist. “Zur Beantwortung der Frage gehört die Bestandsaufnahme dessen was wir als SPD bisher erreicht haben” so Miersch. Dann der Blick nach vorn und die ehrliche Einschätzung ob eine politische Neuausrichtung der SPD in dieser Koalition gelingen kann, bzw. ob die SPD die Antworten auf die großen Fragen unserer Zeit formulieren und vermitteln kann.
Die SPD hat bisher die Neuausrichtung in der Sozialpolitik, neue Investitionen in gute Bildung durch das Gute-KiTa-Gesetz und den DigitalPakt Schule, die Neuausrichtung der Zuwanderung in der Einwanderungspolitik, die Ergebnisse der Kohlekommission zum Kohleausstieg bis spätestens 2038 (wobei der Ausstiegspfad 2023, 2025 und 2029 überprüft wird) und ein belastbarer Kompromiss auch hinsichtlich der Sicherheit für Beschäftigte und Unternehmen darstellt, erarbeitet und als Mehrheitsbeschluss im Bundestag durchgesetzt.
Die grundsätzlichen Streitpunkte mit der Union: die Union will Steuersenkungen für Unternehmen und Reiche, den Abbau von Arbeitnehmerrechten, und sie verhindert dringend nötige Investitionen der öffentlichen Hand. Die SPD will gute Arbeitsbedingungen, Investitionen in die öffentliche Daseinsfürsorge, keine Aufrüstungsspirale und einen sozial gerechten Klimaschutz. Dafür braucht es einen (finanziell) handlungsfähigen Staat statt Umverteilung von unten nach oben.
Viele weitere Punkte, kritische Fragen aus der Runde der circa 30 Teilnehmenden aus der SPD-Pattensen und vom Nachbarortsverein Laatzen sowie parteilosen Besuchern zeigten wie wichtig dieser Austausch ist. Über den Verbleib in der GroKo entscheidet der ordentliche Parteitag im Dezember 2019 in Berlin. Die Bürgermeisterin Ramona Schumann teilte ihr Resümee in drei aufeinanderfolgende Phasen. Zum einen die Zeit nach ihrer Amtsübernahme im November 2014 wo sie die Stadtverwaltung im “Alten Rathaus” auf der Burg mit etwas mehr als 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern übernahm. Vor viereinhalb Jahren waren es noch mehrere Dienstgebäude in denen die Verwaltungsaufgaben bewältigt wurden. War Schumann zu Beginn gerade noch dabei Arbeitsweise, Abläufe und Kollegen kennenzulernen, so kamen vom Frühjahr 2015 bis Anfang 2016 Flüchtlinge in die Region Hannover und somit auch nach Pattensen.
“Wir stellten, wie wir es sicher alle miterlebt haben, innerhalb kürzester Zeit Dienste und Leistungen seitens der Verwaltung sowie Gastfreundschaft seitens der Stadtgemeinschaft Pattensens bereit” so Schumann “eine Reaktion auf diese Herausforderung, auf die ich heute noch stolz bin!” ergänzt sie. Im Grunde genommen, und da beginnt die zweite Phase, war die Konzentration auf vormals geplante Projekte jetzt erst möglich. Die Sanierung der Ernst-Reuter-Schule (KGS), der Neubau des Rathauses und die anstehende Sanierung der Grundschule Pattensen.
Schumann kommt aus dem Gehobenen Dienst und ist mit geschriebenen und ungeschriebenen Gesetzen in einer Verwaltung vertraut, dennoch hat sie der immer stärker werdende Populismus und der Umgang miteinander in politischen Prozessen nachdenklich gemacht. Nach Meinung der Bürgermeisterin sind da manche Grenzen überschritten worden. Eine Erfahrung die sie gern hinter Politik, Verwaltung und Bürgen von Pattensen lassen möchte.
“Wir haben noch viel zu tun in den verbleibenden drei Jahren meiner ersten Amtszeit und ich habe aus Fehlern gelernt. Ich werde zum Beispiel die Protokolle der AG Stadtentwicklung künftig allen Ratsmitgliedern zur Verfügung stellen. Außerdem ist es mir ein Anliegen die neuen Medien und somit auch das Nutzungsverhalten von Informationsquellen in meine Öffentlichkeitsarbeit einzubinden. In Zukunft werde ich die meisten meiner Reden in Ratssitzungen im Livestream teilen.” sagt Schumann. Die dritte Phase ist ein Blick in die Zukunft, in der Kinderbetreuung, der Sanierungsstau bei den Feuerwehrgerätehäusern, der Öffentliche Personen Nahverkehr (ÖPNV) und bezahlbarer Wohnraum die Schwerpunkte in ihrer kommunalpolitischen Arbeit setzen.
Schlussendlich stellte das “Sommerloch” die Chance dar in aller Ruhe und ohne Zeitdruck mit Miersch und Schumann zu diskutieren, “...denn der SPD-Ortsverein Stadt Pattensen ist der erste in der Region Hannover bzw. Niedersachsen der diese Bilanz gewagt und organisiert hat.” so Eibs-Lüpcke.