Pattensen.
Statistisch betrachtet stirbt an jedem dritten Tag in Deutschland eine Frau durch die Tat ihres Partners oder Ex-Partners. Umgerechnet alle 45 Minuten wird eine Frau durch ihren Partner verletzt oder angegriffen. Vier von fĂĽnf Gewaltopfern in Beziehungen sind weiblich.
So sind die bundesweit seit Jahren ansteigenden Zahlen einer der Gründe, warum sich der Runde Tisch gegen häusliche und sexuelle Gewalt Hemmingen/Pattensen vor zehn Jahren gegründet hat. Seine Mitglieder aus Beratungsstellen, Polizei, Verwaltung und Zivilgesellschaft setzen sich seitdem dafür ein, dass das Thema Häusliche Gewalt auf örtlicher Ebene stärker ins Bewusstsein gerückt wird sowie Hilfsangebote besser vernetzt und ausgebaut werden. Jährlich nutzt das Gremium den Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November, um mit einer Fahne vor den Rathäusern auf diesen Missstand aufmerksam zu machen und auf die Geschehnisse des Jahres zu blicken.
Ein erfreuliches Ereignis sehen die Mitglieder des Runden Tisches in der Stärkung der zuständigen Frauenberatungsstelle Donna Clara in Laatzen. So wurde dank positiven Votums beider Räte die Fördersumme der Kommunen Pattensen und Hemmingen an die Beratungsstelle erhöht und zunächst bis Ende 2022 festgeschrieben. „In Pattensen profitieren Mädchen und Frauen, die von Gewalt bedroht oder betroffen sind, von der Zusammenarbeit der Gleichstellungsbeauftragten mit örtlichen Einrichtungen und der Donna Clara Beratungsstelle“, beschreibt Heike Grützner, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Pattensen, die Vorteile der guten Kooperation. „Ebenso können unsere Mitarbeiterinnen, die hin und wieder von Konflikten und Gewalt in der Familie erfahren, gezielt auf das Beratungsangebot von Donna Clara hinweisen und gegebenenfalls eine Beratung in unserem Haus organisieren“, ergänzt Martina Wolters vom Mehrgenerationenhaus MOBILE e.V. in Pattensen.
So war es auch die Mitarbeiterin von Donna Clara, Silvia Eckstein, die das Gremium zu dessen diesjährigen Arbeitsschwerpunkt auf den aktuellen Sachstand gebracht hat. Sie referierte bei einer Sitzung über die zahlreichen Facetten von Gewalt, bei denen Jugendliche die Opfer sind. So bleibt die Gewalt gegenüber einem Elternteil den meisten Kindern nicht verborgen und kann schwerwiegende Folgen für ihre Entwicklung haben. Teilweise sind Kinder selbst die Opfer von Misshandlung. Auch in Teenagerbeziehungen kann Gewalt eine Rolle spielen. So haben laut Eckstein Studien zufolge zwei Drittel der Mädchen und Jungen bereits mindestens einmal eine Grenzüberschreitung oder Gewalt in der Partnerschaft erlebt. Ein besonderes Feld bei Jugendlichen ist die digitale Gewalt, die sich vorrangig in den sozialen Netzwerken abspielt. Eckstein klärte die Mitglieder des Runden Tisches über die Gefahren von Cybermobbing, Hate speech, Sextorsion oder auch Cybergrooming auf. „Wir sind uns einig, dass wir auf die Aufklärung und Prävention von Gewalt unter Jugendlichen zukünftig ein besonderes Augenmerk legen müssen“ resümiert Sandvoß.
Ein Anstieg der Fälle häuslicher Gewalt durch die Corona-Pandemie wird allseits vermutet, konnte von den Mitgliedern des Runden Tisches bisher jedoch nicht offiziell bestätigt werden. In Pattensen blieb die Zahl der bekannten Fälle gleichbleibend bei rund 30. Das Frauenhaus in der Region Hannover verzeichnete während der ersten Monate der Pandemie sogar weniger Anfragen als sonst, was vermutlich auf die besonderen Kontaktbeschränkungen im Lockdown zurückzuführen ist. Vielen von Gewalt betroffene Frauen fehlte die Möglichkeit, sich unbemerkt vom Täter Hilfe zu holen. Auch wenn die Zahlen es aktuell noch nicht zeigen, so geht das Gremium doch von einer Zunahme häuslicher Gewalt aus. Die Pandemie erweise sich als Brennglas für bereits bestehende Problemlagen. „Die aktuellen Einschränkungen verschlimmern die Situation der von häuslicher Gewalt Betroffenen. So sind durch die Beschränkungen des öffentlichen Lebens viele Paare gleichsam auf sich selbst zurückgeworfen worden. Drohender Arbeitsplatzverlust, Kurzarbeit und vermehrte Kinderbetreuung führen zu Mehrbelastung“, führt Eckstein aus, „Hinzu kommen Sorgen um die Gesundheit und Zukunftsängste. All dies lässt Konflikte in Beziehung entstehen oder sich verschärfen, die nicht selten in Gewalt eskalieren.“ Die Berichte von Frauen, die den Weg zu ihr in die Beratungsstelle gefunden haben, bestätigen diese Annahme. Ähnliches berichtet Susanne Giese, Mitarbeitern des Sozialen Dienstes der Stadt Hemmingen: „Insgesamt hat der Beratungsbedarf zugenommen. Das liegt sicher auch daran, dass viele Behörden und Institutionen während der Corona Pandemie geschlossen sind oder nur eingeschränkt geöffnet haben. In diesem Jahr haben auffällig viele geflüchtete Frauen eine Beratung wegen Trennung nachgefragt. Bei den meisten spielte häusliche Gewalt eine Rolle. Der angespannte Wohnungsmarkt macht es den Männern in diesen Fällen oft sehr schwer eine neue Unterkunft zu finden.“
Betroffene oder Ratsuchende erreichen sie unter folgenden Kontaktdaten:
Frauenzentrum Laatzen
Beratungsstelle Donna Clara
Hildesheimer Str. 85
30880 Laatzen
Telefon 0511-89885820
E-Mail info(at)frauenzentrum-laatzen.de
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