Pattensen.
Um die Stadt Pattensen verkehrstechnisch zu entlasten, wurde Anfang der 2000er Jahre eine Umgehungsstraße geplant und sämtliche Formalitäten, darunter auch ein im Jahr 2005 in Auftrag gegebenes Lärmschutzgutachten, auf den Weg gebracht: eine nördliche Umgehung der Stadt, mitten in die Bördelandschaft, die heute als K226 bekannte Verbindung Hiddestorfer Straße/Pariser Allee. Die Region Hannover erklärte im April 2016, dass es sich bei der K226 um eine klassifizierte Straße mit Verbindungsfunktion handelt, baulich so angelegt, dass circa 13.000 Kraftfahrzeuge innerhalb 24 Stunden passieren können.
Der ungebrochenen Nachfrage nach Bauplätzen im Grünen entsprechend wurde die an der Pariser Allee Ecke Hiddestorfer Straße Dreieckfläche als Bauland freigegeben. Den Zuschlag für zwei Drittel der Bebauung erhielt die in Herford ansässige Werretal Urbanisations GmbH. Werretal reichte bei der Region Hannover vorsorglich im Jahr 2012 einen Bauantrag für die Errichtung eines circa 180 Zentimeter hohen Erdwalles im Bereich des Pflanzstreifens im Norden des ersten und zweiten Bauabschnittes ein. Dieser Antrag bezog sich auf die bis dahin unverkauften Baugrundstücke. 
Der Wall sollte als Sichtschutz dienen und gemäß der Vorgaben des Grünordnungsplanes bepflanzt werden. Die Region Hannover lehnte, so die Angabe der Werretal, diesen Bauantrag im Oktober 2012 ab. Zusammenfassend begründete die Region ihre Entscheidung damit, dass es sich bei dem Wall um eine bauliche Anlage handele, die im Bereich des Pflanzstreifens nicht erlaubt sei. Darüber hinaus wurde der Sichtschutzwall als eine „Störung des Landschaftsbildes, das hier durch eine offene Bördelandschaft geprägt ist“ (Zitat Region Hannover) angesehen, da durch die im Bebauungsplan ausgewiesene Randeingrünung mit Landschaftsgehölzen eine „landschaftsgerechte Eingliederung des Baugebietes“ angestrebt wurde. Dies würde durch den Bau eines Walles beeinträchtigt.
Mit der Fertigstellung der Bauabschnitte eins und zwei, rund um Warschauer Straße, Stockholmer Straße, Dubliner Straße wurden die an die K226 angrenzenden Häuser bezugsfertig. „In den ersten Monaten ist uns durch den Baulärm um uns herum nichts aufgefallen“, erinnert sich Tatjana Pohl. „Da hämmerte es hier, bohrte dort, alle wollten mit ihren Bautätigkeiten fertig werden“. Sie und ihr Mann Stefan hätten die Geräuschkulisse als für ein Baugebiet normal empfunden. Natürlich wussten sie von der K226, der vom Verkäufer als unbedeutende Nebenstrecke titulierten Straße hinter dem Haus. „Als wir das Haus gekauft haben, war es noch im Rohbau, klar haben wir die Straße, die unmittelbar an unser Grundstück schließt, realisiert“, sagt Stefan Pohl. Nachdem die Bauarbeiten im Neubaugebiet beendet waren, der Lärm jedoch blieb, kam das böse Erwachen. „Zu den Stoßzeiten von 5 Uhr bis 9 Uhr und 16 Uhr bis 19 Uhr kann man sich im Freien aufhalten, jedoch nicht unterhalten, nicht entspannen, nicht Haus und Garten genießen, es ist vielmehr so, als sitze man unmittelbar am Nürburgring“, erzählt seine Frau. „Im Haus hatten wir zeitweilig das Gefühl, Lastwagen und Landmaschinen führen direkt durch die Küche“, ergänzt sie. Der erste Gedanke, einen Lärmschutz zu pflanzen wurde im wahrsten Sinne des Wortes im Keim erstickt. „Geht es nach der Stadt Pattensen, so dürfen wir hier Heister pflanzen, eine spezielle Heckenpflanze, die für einen Sichtschutz sorgen kann, sofern den Pflanzen gestattet wird, zu wachsen. Uns werden jedoch nur in 100 Zentimetern Höhe zugebilligt, oder ein Maschendrahtzaun, ebenfalls in einer Maximalhöhe von 100 Zentimetern“. Der Lärm bleibt. Pohl wendet sich 2016 erstmals an die Stadt Pattensen, direkt an das Rathaus. In der Hoffnung auf Verständnis und den zündenden Impuls suchte er seinerzeit das Gespräch zu Bürgermeisterin Ramona Schumann. Redebereitschaft sehe, so erinnert er sich, anders aus. „Wir sind regelrecht abgeblitzt.“ Das einzige Resultat aus der vor drei Jahren vorgetragenen Bitte, das Leben an der Kreisstraße für die direkt angrenzenden Anwohner lebenswerter und sicherer zu machen, ist ein Stopp Schild an der Pariser Allee sowie eine gestrichelte Markierung auf der Straße. „Eigentlich steht das Schild nur der Fahrradfahrer wegen, damit wir, die aus dem Wohngebiet herausfahren, keinen Radler erwischen“, so Tatjana Pohl. Sie und ihr Mann kämpfen seit 2016 nicht gegen die Stadt Pattensen, sondern für ein lebenswerteres Leben im Neubaugebiet der Stadt Pattensen.
Um das Leben im Haus einigermaßen erträglich zu gestalten, erfolgten erste Eigenmaßnahme der Pohls: Eine 16 Zentimeter dicke Lärmschutzdämmung an den Wänden, Lärmschutzfenster statt der ursprünglichen dreifach Verglasung, viel bringen würde es zu den Stoßzeiten dennoch nicht. Im Februar 2019 sind Pohls von Haus zu Haus gegangen, um mit den 51 direkt betroffenen Hausbesitzern zu sprechen. 35 Haushalte gaben ihnen, den Initiatoren „Gemeinsam gegen Lärm“, spontan ihre Unterschrift und Zustimmung für ein ruhigeres Leben an der K226 zu kämpfen. Anfang März legten Pohls die gesammelten Unterschriften Bürgermeisterin Ramona Schumann vor. Mit einem kleinen Etappensieg. Der Ortsrat nahm sich der Thematik an, eine Verkehrsmessung wurde seitens des Rathauses abgesegnet und bereits in Auftrag gegeben. Die Stadt Pattensen startete jüngst einen Versuch, die tatsächliche Verkehrsbelastung zu messen, jedoch wurde das eingesetzte Seitenradarmessgerät in einer Entfernung von rund 200 Metern vor dem Kreisel installiert. „Viel zu nah am Kreisel. Viele Fahrzeuge, die in den Kreisel fahren wollen, bremsen schon vor dem Messgerät ab“, bemängelt Pohl. Um ein valides Ergebnis zu erhalten, so ergänzt er, müsse das Messgerät an einer geeignete Stelle, beispielsweise in Höhe der Häuser, platziert werden, um zu einem objektiven Ergebnis zu gelangen. „Ein Mitarbeiter der Stadt Pattensen wird nun alle drei Tage kommen, auf die Leiter steigen und die Batterie wechseln, den ordnungsgemäßen Zustand des Gerätes prüfen und die bis Ende April wöchentlich die gewonnen Daten sammeln“, so Pohl. Ob es sich um ein tatsächlich verwertbares Ergebnis handelt, ist für ihn fraglich. Wann das Rathaus die endgültige Auswertung vorlegen wird, sein nicht bekannt.
Geht es nach der Stadt Pattensen, so ist man im Rathaus zufrieden, den täglichen Pendlerverkehr seit dem Jahr 2012 aus Pattensen heraus zu lotsen. Die Umgehungsstraße fällt nicht mehr unmittelbar in ihr Terrain. Auftraggeber war seinerzeit die Stadt, Betreiber sei seit Jahren die Region Hannover, dort wird die K226 ohne Ampeln und ohne Tempolimit 50 als klassifizierte Straße geführt, baulich so angelegt, täglich bis zu 13 Tausend Kraftfahrzeuge passieren zu lassen. Eine vor Jahren erhobene Verkehrsbelastung von 3.380 Fahrzeugen pro Tag entspricht dem Ausbaustandard. „Wir verlangen hier nichts perfektes, nicht, dass die Straße dort vor unserem Garten verschwindet, aber wir einfach wollen mit der Straße leben können. Wir wünschen uns mit unseren Belangen ernst genommen zu werden, die Lärmbelastung ist unerträglich, zermürbt. Es wäre ein erster und guter Schritt gemeinsam mit der Stadt, unserer Bürgermeisterin und sämtlichen betroffenen Anwohnern einen ordentlichen Konsens zu erzielen“ so Pohl. Er hofft auf einen ehrlichen Umgang mit der Gesamtsituation, um Versäumnisse aus der Vergangenheit nachzuarbeiten. Bis dahin klammert er sich an die Fertigstellung der Umgehungsstraße, deren Bautätigkeiten sogar vom eigenen Balkon zu beobachten sind. „Das Verkehrsaufkommen hat sich seit 2016 deutlich verändert, nicht zum Guten. Vielleicht ändert sich das endlich, wenn die Umgehungsstraße, die ja im September fertig gestellt sein soll, einen Teil der Verkehrslast übernimmt.“ Ginge es nach seiner Ehefrau, so wünscht sie sich härter Maßnahmen: „Blitzer in beide Richtungen, Geldbußen, damit das Gefühl, am Nürburgring zu leben, aufhört.“ Inzwischen liegt das Lärmschutzgutachten aus dem Jahr 2005 vor, dies, in Verbindung mit den erhobenen Daten aus dem Jahr 2019 dürfte in wenigen Wochen endlich Klarheit bringen.