Region.
Die Armutsrisikoquote lag in Niedersachsen im Jahr 2017 bei 15,8 Prozent (= 1,24 Mio. Menschen) und damit nur 0,2 Prozentpunkte niedriger als im Jahr zuvor, so das Landesamt für Statistik Niedersachsen LSN anlässlich der Veröffentlichung des Statistikteils 2019 der Handlungsorientierten Sozialberichterstattung Niedersachsen (HSBN). Die Landesarmutskonferenz LAK Niedersachsen sieht in der Verfestigung der Armut auf annäherndem Rekordniveau wachsenden sozialen Sprengstoff und fordert eine nachhaltige Bekämpfung von Armut. Besonders betroffen sind Erwerbslose (55,9%), Alleinerziehende (42,1%) und Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit (41%). Nach wie vor ist mehr als jedes fünfte Kind von Armut bedroht (20,6%). Je mehr Kinder eine Familie hat, desto höher ist das Armutsrisiko, bei Familien mit drei oder mehr Kindern mit 29,5% weit über dem Durchschnitt. Armutsgefährdet trotz Arbeit waren mit 289.000 Menschen wie im Vorjahr 7,3 % der Erwerbstätigen. Ursachen sind prekäre Beschäftigungsverhältnisse und Niedriglöhne. Ein Viertel der armutsgefährdeten Bevölkerung empfindet die Miete als große Belastung. In Ballungsräumen ist die Situation besonders prekär: 44 Prozent aller Haushalte in Oldenburg müssen mehr als 30 Prozent ihres Nettoeinkommens allein für ihre Miete (brutto-kalt) ausgeben, in Hannover sind es 43,3 Prozent, in Braunschweig 41,1 Prozent, in Osnabrück 40,4 Prozent und in Göttingen 35,4 Prozent. Dramatisch entwickelt sich die Lage für Wohnungslose und von Wohnungslosigkeit Bedrohte. In den 34 Tagesaufenthalten der niedersächsischen Wohnungslosenhilfe ist die Zahl der Besucher im Vergleich zu 2011 um mehr als zwei Drittel (68,5 %) gestiegen. Klaus-Dieter Gleitze, Geschäftsführer der Landesarmutskonferenz, betont: „Trotz positiver Effekte wie der Zunahme sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze und steigender Löhne nimmt die Armut nicht nennenswert ab. Ein wachsendes Problem mit sozialem Sprengstoff ist Mietarmut. Die Einkommensentwicklung hält gerade in Großstädten mit der Mietentwicklung nicht Schritt. Etwa 1,3 Mio. Haushalte – das entspricht 10 Prozent aller Großstadthaushalte – haben in Deutschland nach der Mietzahlung ein Resteinkommen unterhalb der Grundsicherungssätze, laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung. Angesichts von mehr als 20 Prozent Beschäftigten im Niedriglohnsektor ist jetzt schon abzusehen, dass wir vor einer drastischen Zunahme von Altersarmut stehen. Die Spaltung der Gesellschaft nimmt zu. Diese Effekte werden sich verstärken, wenn das aktuelle konjunkturelle Hoch einem Tief weichen wird. Das wird sich auch negativ auf den unverändert hohen Sockel von Langzeitarbeitslosigkeit auswirken. Daher fordert die LAK: - die Gründung einer gemeinnützigen Landeswohnungsbaugesellschaft - eine Erhöhung der Hartz IV Regelsätze um mindestens 20 Prozent - eine deutliche Erhöhung des Mindestlohns, um Altersarmut zu vermeiden - eine armutsfeste Grundsicherung für Kinder. Das Geld für mehr soziale Gerechtigkeit ist da. Was fehlt, ist der politische Wille zur Veränderung. Dieser Wille ist umso notwendiger, als die Spaltung unserer Gesellschaft sich immer mehr vertieft. Gerade in sozialen Brennpunkten ist der Wahlerfolg von Rechtspopulisten und Rassisten besonders groß.“ Die Sprecher*innen der Landesarmutskonferenz Thomas Uhlen (Caritas), Meike Janßen (SoVD) und Lars Niggemeyer (DGB) sowie Thomas Schremmer als LAK-Wohnungsmarktexperte überreichten dem zuständigen Bauminister Olaf Lies (SPD) am 11.07.2019 das symbolische Gründungshaus zur Landeswohnungsbaugesellschaft, um ihre Forderung nachdrücklich zu unterstreichen, siehe Foto anbei. Die Armutsgefährdungsschwelle lag 2017 in Niedersachsen für einen Einpersonenhaushalt bei 980 Euro, das entspricht 60 % des mittleren Einkommens. Die Landesarmutskonferenz LAK Niedersachsen wurde 1995 gegründet. Sie ist ein Zusammenschluss von Verbänden, Gewerkschaften und Initiativen.