Argestorf. Vor zehn Jahren sorgte Philip Noltemeyer für Aufsehen in Wennigsen. Der heute 38-jährige Landwirt errichtete damals einen Schweinestall für rund 2.000 Schweine. Neben Kritik an den Haltungsbedingungen gab es auch Bedenken wegen der Geruchsbelästigung. Beides war in den letzten Jahren überraschenderweise kein großes Thema mehr.
Und nun verkündete Noltemeyer, seit einigen Monaten stolzer Vater einer Tochter, dass er seine landwirtschaftliche Tätigkeit auf neue Füße stellt: „Ich glaube, es ist der richtige Zeitpunkt dafür. Wir wollen den Einstieg in die Direktvermarktung kurzfristig umsetzen“, erklärte Noltemeyer jetzt. Der Verbraucher wolle andere und regionale Angebote, ist sich der Landwirt sicher. Und darum eröffnen Philip und Sabrina Noltemeyer im Sommer ihren eigenen Hofladen..
Um den Hofladen mit eigenen regionalen und nachgefragten Produkten zu bestücken, hält der Landwirt seit Kurzem Schweine in Freilandhaltung. „Die Tiere kamen im Alter von drei Wochen zu uns und wurden zuerst im warmen Strohstall bei uns auf dem Hof aufgezogen – und gleichzeitig an das Außenklima gewöhnt.“ Wenn die Tiere elf Wochen alt sind, kommen sie auf eine drei Hektar große Weidefläche in Argestorf: „Auf der Weide werden künftig insgesamt 90 Schweine in 3 Altersgruppen leben.“ Jede Altersgruppe, bestehend aus 30 Tieren, lebt auf einem eigenen Areal, das auch jeweils einen mit Stroh ausgestatteten Wetterschutz mit Wasser und Futter bietet. Diese sind bereits weit sichtbar, wenn man aus Wennigsen nach Argestorf fährt. Die ersten 30 Tiere sind nun seit Pfingsten auf der Wiese in Argestorf zu Hause, etwa alle 4 Monate sollen 30 neue Tiere hinzukommen. „Damit gewährleisten wir, dass wir das ganze Jahr über schlachtreife Schweine haben und somit stets frisches Fleisch im Laden verfügbar ist. Besonders ist, dass die drei Ställe nicht feststehen, sondern versetzt werden können. „So ist der Unterstand immer da, wie die Tiere gerade die Weide nutzen.“
Eine Neuentdeckung sind die Weideschweine nicht – höchstens eine Wiederentdeckung. Denn vor Jahrhunderten war es üblich, Hausschweine auf der Wieder und im Wald zu halten. Die sogenannte „Eichelmast“ im Wald ist heute zu Zeiten der ASP (Afrikanischen Schweinepest) und anderen Krankheiten nicht mehr möglich und auch auf der Weide müssen Maßnahmen zur Abgrenzung gegen Wildtiere vorgenommen werden. Deshalb läuft um die Weideschweine ein Doppelzaun, wie er vom Veterinäramt vorgeschrieben ist. Tag und Nacht sind die Schweine jetzt in ihrem neuen Zuhause. Die ersten Tiere sind im Sommer schlachtreif. „Ich bringe die Tiere dann selbst zu einem Schlachter. Noch können wir nicht selbst schlachten. Aber das ist mittelfristig geplant.“ Dazu bedarf es viel Vorbereitung und Investitionen, die derzeit noch nicht vorgesehen sind. „Wir wollen auch erstmal schauen, ob der Verbraucher bereit ist, den Weg mit uns zu gehen.“ Das zerteilte Fleisch seiner Tiere nimmt der Landwirt dann wieder mit – vakuumiert. „Leider gibt es dazu derzeit keine Alternative.“
Auf eines ist Philip Noltemeyer besonders stolz: „Anders als im großen Stall dürfen unsere Schweine hier draußen ihre Ringelschwänze behalten. Das hängt damit zusammen, dass die Tiere mehr Beschäftigung haben als ihre Artgenossen im Stall und ihrem natürlichen Verhalten nachkommen können.“ Noltemeyer geht es darum, beim Verbraucher ein Bewusstsein zu schaffen: „Der Verbraucher kann mit seiner Kaufentscheidung dazu beitragen, wie die Tiere ihr Leben verbringen“, betont er. Wenn Fleisch gegessen wird, dann war das vorher ein Tier. Diesen Bezug kann so mancher nicht mehr herstellen. Die durch die Freilandhaltung geschaffene Transparenz soll dem Trend der Entfremdung entgegenwirken und Vertrauen schaffen. Denn: Nahrung ist Vertrauenssache: „Deswegen wollen wir wieder etwas am Rad der Zeit zurückdrehen. Wir suchen den direkten Kontakt zum Verbraucher, und der soll auch den Bauern kennenlernen. Wir wollen künftig auch Besuchergruppen hier empfangen und den Betrieb vorstellen.“ Auch beim Futter der Tiere legt Philip Noltemeyer Wert auf Regionalität: „80% entsteht auf unseren eigenen Feldern. Mineralfutter und Eiweißkomponenten müssen wir derzeit noch zukaufen, planen aber auch da weitere Schritte.“
Neben den Schweinen will Philip Noltemeyer aber auch Hühner halten: „Wir werden 350 Hühner in einem Hühnermobil unterbringen. Wir wollen Landwirtschaft zum Angucken. Das ist bei den großen Ställen auf Grund der Hygiene-Vorschriften nicht möglich.“ Dort sind Noltemeyers zwar im Tierwohl-Programm, aber: „Aktuell diktieren mir gerade andere den Preis und ich bin von diesen Großschlachtern abhängig. Da will ich raus. Es macht keinen Spaß mehr“. Seinen zehn Jahre alten Stall kann der Landwirt nicht von heute auf morgen aufgeben. „Aber sobald wir können, werden wir den Stall umbauen und die Schweine mit mehr Platzangebot pro Tier und auf Stroh halten. Wir wollen dann auch Ausläufe an den Stall anbauen.“ Jetzt sucht Noltemeyer erstmal Schlachter, die in der Regionalvermarktung unterwegs sind und Interesse haben, einen Teil der jährlich etwa 4.000 Tiere aus dem umgebauten Stall abzunehmen. „Ein Schlachter nimmt in der Regel etwa 300-500 Tiere pro Jahr, also sind wir auf ein paar mehr Schlachter angewiesen“, zeigt Philip Noltemeyer auf.
Im Hofladen „Bauer Noltemeyer – genial regional“ soll es aber nicht nur das vakuumierte Fleisch und die Eier der Hühner geben, sondern auch fertige Gerichte. „Wir wollen auch eigene Nudeln aus unseren Eiern produzieren lassen oder Eierlikör“, freut sich Sabrina Noltemeyer. Darüber hinaus wird es von befreundeten Landwirten, die den gleichen Weg gehen, regionale und saisonale Produkte wie Grünkohl, Spargel, Honig oder Säfte geben.
Diese Woche beginnen bereits die Arbeiten für die Erstellung des Hofladens in der Calenberger Straße mitten in Argestorf. Zweimal die Woche, nämlich freitags am Nachmittag und samstags am Vormittag, wird der Laden geöffnet sein. Im August soll der Hofladen dann eröffnen. „Außerdem haben wir uns entschieden, an den Hofladen auch einen 24-Stunden-Automaten für Grillfleisch, Eier und alle anderen Produkte anzuschließen.“ Und nicht nur das: „Wir möchten dem Ort und der ganzen Gemeinde wieder etwas Traditionelles zurückbringen. Nicht in diesem, aber wohl im nächsten Jahr. Wir planen dann wieder Feste in unserer Scheune, wie ein Grünkohlessen oder Weinfest.“
„Bauer Noltemeyer – genial regional“
Calenberger Straße 14
30974 Wennigsen / OT Argestorf
Telefon: 05103-22 96