Hannover. Arzneimittelgroßhandlungen, Apotheken und Krankenhausapotheken dürfen ab sofort isotonische natriumchloridhaltige Arzneimittel („Kochsalzlösungen“) in Verkehr bringen, die keine Zulassung nach dem deutschen Arzneimittelgesetz (AMG) haben. Voraussetzung ist, dass diese Arzneimittel in anderen Ländern zugelassen sind und unter Bezugnahme auf die Bekanntmachung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) zum Versorgungsmangel für diese Arzneimittel eine Gestattung zur Einfuhr, zum Verbringen und/oder zum Inverkehrbringen nach Deutschland durch die jeweils zuständige Behörde erteilt wurde..
Das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung hat heute eine entsprechende Allgemeinverfügung erlassen.
Hintergrund ist die amtliche Feststellung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), dass nach Angaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ein Versorgungsmangel mit isotonischen natriumchloridhaltigen Arzneimitteln besteht. In Fällen von akutem Versorgungsmangel an lebenswichtigen Arzneien können die zuständigen Behörden mit Blick auf die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung befristete Ausnahmen von den strengen Auflagen des Arzneimittelgesetzes erlassen. Dabei gilt, dass für die Patientensicherheit eine Packungsbeilage oder ein Begleitdokument in deutscher Sprache erforderlich ist. Die erteilte Allgemeinverfügung für Kochsalzlösungen bleibt i.d.R. so lange bestehen, bis der Versorgungsmangel durch das BMG offiziell aufgehoben wurde.
„Wir nutzen unseren Spielraum, damit wir bei dem Basis-Arzneimittel Kochsalzlösung nicht in eine völlig prekäre Lage schlittern. Natriumchlorid-Lösung ist unverzichtbar für Behandlungen im stationären und ambulanten Bereich. Die Erleichterung des Inverkehrbringens von importierten oder verbrachten Kochsalzlösungen ist in der aktuellen Mangellage das Mittel der Wahl, um gegenzusteuern“, erklärt Niedersachsens Gesundheitsminister Dr. Andreas Philippi. Kochsalzlösung sei unter anderem zum Spülen von Wunden, Kathetern, Nase oder Augen, der Spülung von Organen, bei Flüssigkeitsverlust und Dehydration notwendig, aber auch als Trägerlösung zur Verabreichung anderer Medikamente wie z.B. Antibiotika oder Zytostatika unverzichtbar.
Der Versorgungsmangel bei Natriumchlorid-Lösungen geht augenscheinlich auf Produktionsengpässe bzw. Lieferschwierigkeiten bei Zulieferern der Arzneimittelhersteller zurück.
Philippi: „Wir müssen kurzfristig die Versorgung mit Kochsalzlösung sicherstellen. Das hat höchste Priorität. Die akute Mangellage steht aber auch symbolisch für die Frage, wie es Deutschland in Zukunft mit der Arzneimittelversorgung hält. Die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung sind richtig, reichen aber offensichtlich nicht aus, um strukturelle Defizite, die in der Vergangenheit begründet sind, zu beheben. Wir müssen uns definitiv breiter aufstellen, Abhängigkeiten reduzieren und wieder mehr eigene Produktionskapazitäten schaffen. Dafür braucht es eine ehrliche politische und gesellschaftliche Debatte, denn es geht auch ums Geld der Versicherten und um attraktive Rahmenbedingungen für Arzneimittelhersteller.“