Region.
Er saß am Schreibtisch in seinem Homeoffice in Hannover Bemerode, nahm an einer Videokonferenz teil und trank dazu einen Becher Kaffee. Es war eine ganz normale Alltagssituation für Dirk Borchardt. Zunächst bemerkte er ein Taubheitsgefühl im Arm und im Bein. „Das kommt vom Sitzen dachte ich“, erinnert sich der 56-Jährige. „Nach der Schalte wollte ich noch mit einem Kollegen telefonieren und ihm etwas mitteilen. Doch ich brachte keinen ganzen Satz heraus.“ Sein Kollege erkannte sofort: Da stimmt etwas nicht, das könnte ein Schlaganfall sein. Er animierte Borchardt dazu, sich sofort Hilfe zu suchen. Dieser schaffte es noch, seine Tochter zu rufen und von da an ging alles ganz schnell. Der umgehend alarmierte Rettungsdienst brachte ihn zunächst in die Klinik für Neurologie im Agnes Karll Krankenhaus Laatzen. Behandelt wurde er hier vom Team von Prof. Dr. Katharina Hein, Chefärztin der Klinik. „Das war ein wirklich schwerer Verschluss, den Herr Borcherdt da erlebt hat, insofern war es wichtig, dass wir bei ihm so schnell wie möglich mit dem Bridging begonnen haben.“
Bridging, so nennen die Experten die sofortige Einleitung einer medikamentösen Therapie, um das Blutgerinnsel im Gehirn zu lösen und weiterhin für eine ausreichende Sauerstoffversorgung des umliegenden Nervengewebes zu sorgen. Bereits nach der Untersuchung im Computertomographen war klar: Der Verschluss des Blutgefäßes muss interventionell behandelt werden. Sprich, mit Hilfe eines Katheters muss das Blutgerinnsel aus dem Gefäß gezogen und ein Stent gesetzt werden. Die in Laatzen begonnene Therapie gewährleistete also einen möglich risikoarmen Übergang, bis zur nächsten Behandlungsstufe. Diese erfolgt in spezialisierten Häusern, die zusätzlich über eine Neuroradiologie, eine Neurochirurgie und auch eine Kardiologie verfügen. Im Klinikum Region Hannover ist das KRH Klinikum Nordstadt dieser zentrale Versorgungspunkt.
Unter der ärztlichen Leitung von Professor Dr. Andreas Schwartz entstand hier in den zurückliegenden Monaten eine deutlich vergrößerte überregionale Stroke Unit – eine auf die Behandlung von Schlaganfallpatienten spezialisierte Versorgungseinheit. Hier können nun – statt bisher acht – insgesamt 14 Patientinnen und Patienten behandelt werden. Damit das gelingen konnte, musste das Behandlungsteam vergrößert und einige bauliche und technische Anpassungen umgesetzt werden.
In diesem Sommer nun bestand sowohl die vergrößerte Einheit im Nordstadt als auch die Stroke Unit in Laatzen den Qualitätstest. In einem ausführlichen Zertifizierungsverfahren haben auswärtige Auditoren die Stroke Units unter die Lupe genommen. Im Nordstadt, dem überregionalen Stroke Zentrum, mussten auch die anderen beteiligten Fächer wie Interventionelle Neuroradiologie, Gefäßchirurgie, Neurochirurgie und vor allem die Kardiologie intensiv überprüft werden. Alle Spezialistenteams und deren technische Ausstattung müssen, um die Zertifizierung zu bestehen, rund um die Uhr, sieben Tagen in der Woche zur Verfügung stehen.
„Unser gesamtes Expertenteam der Stroke Unit, aus der Medizin, der Pflege der Logo-, Physio- und Ergotherapie und dem Casemanagement, haben einen echt tollen Job gemacht“, verdeutlichen Prof. Dr. Andreas Schwartz, Chefarzt der Klinik für Neurologie und Dr. Silke Hörnschemeyer-Decker, ärztliche Leiterin der Stroke Unit. „Dafür bedanken wir uns und freuen uns sehr über den Erfolg.“
Ähnlich sieht das auch Chefärztin Hein für den Standort Laatzen. Sie freut sich auch über die Rückmeldung der Auditoren. „Vor allem die Schnelligkeit in unserer Behandlung von Schlaganfallpatienten konnte verbessert werden und wurde im Rahmen des Audits anerkannt. Außerdem wurden die hohe Fachlichkeit bei allen Berufsgruppen und das sehr gute Schnittstellenmanagement positiv hervorgehoben. Das ist ein großer Erfolg für die gesamte Mannschaft.“
Die Geschichte der spezialisierten Schlaganfallbehandlung begann 2002 am KRH Klinikum Nordstadt. Damals startete das Team mit vier Behandlungsplätzen. Im KRH erfolgte in den vergangenen Jahren ein Ausbau dieses wichtigen Schwerpunktes. Neben den beiden Stroke Units im Nordstadt und in Laatzen, gibt es heute drei teleneurologisch angebundene Schlaganfalleinheiten im KRH Klinikum Neustadt am Rübenberge, im KRH Klinikum Robert Koch Gehrden und im KRH Klinikum Großburgwedel. „Damit lösen wir einen ganz wesentlichen Ansatz unserer Versorgungsstrategie ein“, erläutert Prof. Schwartz, der auch die Teleneurologie im KRH leitet. „Die Patienten werden schnell, so wohnortnah wie möglich, auf hohem Fachniveau behandelt. Wenn nötig können wir innerhalb angestimmter Prozesse und Standards dann eine Verlegung in das spezialisierte Zentrum vornehmen. Der Fall von Herrn Borchardt ist ein gutes Beispiel für das Funktionieren dieses abgestimmten Versorgungsnetzes.“
Dem Bemeroder geht es schon wieder richtig gut. Nach zwei Tagen auf der Stroke Unit im Nordstadt konnte er schon wieder nach Laatzen auf die Normalstation verlegt werden. „Ich freue mich schon darauf, mich wieder etwas freier bewegen zu können“, gesteht der 56-Jährige erleichtert. „Aber ich muss auch sagen, dafür, dass ich einen so schweren Schlaganfall hatte, habe ich wirklich nicht zu leiden gehabt.“