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Die seit dem 20. Februar 2020 vor dem 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts geführte Strafverhandlung gegen einen 33jährigen Syrer konnte bereits am fünften Sitzungstag geschlossen werden. Der Senat verurteilte den Angeklagten am 13. März 2020 unter anderem wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten (Az. 4 StS 1/19).
Der Angeklagte hat gestanden, dass er sich - wie ihm in diesem Verfahren von der Bundesanwaltschaft vorgeworfen wurde - Anfang 2013 in Syrien einer dortigen Gruppierung namens „Liwa Al-Izza Lil-lah" (wörtlich: „Der Ruhm gehört Gott-Brigade") angeschlossen hat. Seinen eigenen Angaben zufolge nahm der Angeklagte während des syrischen Bürgerkriegs mit einem Schnellfeuergewehr vom Typ Kalaschnikow AK-47 bewaffnet an Kampfhandlungen gegen das Assad-Regime in Tabqa teil. Er hat u.a. eingeräumt, dass er gemeinsam mit anderen Kämpfern der Gruppierung im Februar 2013 die Residenz des syrischen Luftwaffengeheimdienstes in Tabqa erobert und dort nach der Eroberung etwa bis Anfang 2014 bewaffnete Patrouillendienste geleistet hat, bevor er sich im Februar 2014 von der Gruppierung absetzte und in die Türkei floh.
Der Senat hat - wie zuvor bereits der Bundesgerichtshof (Az. AK 1/20, Beschluss vom 06. Februar 2020) - festgestellt, dass es sich bei der „Liwa Al-Izza Lil-lah" um eine militant-islamistische Gruppierung mit dschihadistischen Tendenzen gehandelt hat, die die Errichtung eines islamischen Staates nach dem Recht der Scharia zum Ziel hatte. Die Tätigkeit dieser Gruppierung sei auf die Begehung von Mord gerichtet gewesen und tatsächlich seien Menschen durch deren Anhänger auch getötet worden. Deshalb sei die Gruppierung rechtlich als terroristische Vereinigung im Ausland zu qualifizieren. Zwischenzeitlich hat sich die Vereinigung aufgelöst. Nach einer Niederlage im Kampf gegen Anhänger des sog. Islamischen Staates in Tabqa flohen die überlebenden Mitglieder der Gruppierung; ihr Anführer wurde im November 2015 getötet.
Nach Ansicht des Senats kannte der Angeklagte die Zielrichtung der Gruppierung und wusste auch, dass deren Tätigkeit auf die Tötung von Angehörigen des Assad-Regimes gerichtet war und auf das Leben von Zivilisten keine Rücksicht genommen wurde.
Dass der Angeklagte nicht nur ein Mitläufer, sondern in Kenntnis deren Zwecke als Mitglied fest in die Organisationsstruktur der Gruppierung eingebunden war, ergab sich zur Überzeugung des Senats aus den eigenen Angaben des Angeklagten, aus Zeugenaussagen und aus einer Videosequenz, die die Gruppierung als Propagandamaterial in das Internet gestellt hatte. Darin ist neben dem Anführer der Gruppierung auch der Angeklagte unmittelbar nach der Eroberung der Residenz des syrischen Luftwaffengeheimdienstes in Tabqa zu sehen.
Für die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung sieht das Gesetz eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren vor. Der Angeklagte hat sich außerdem wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz strafbar gemacht, wofür das Gesetz eine Freiheitsstrafe von einem bis zu fünf Jahren vorsieht.
Die Bundesanwaltschaft hat eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten beantragt. Die Verteidigung des Angeklagten hat beantragt, eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten zu verhängen, den Angeklagten aber von dem Vorwurf der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung freizusprechen, weil er lediglich dabei habe mitwirken wollen, seine Heimatstadt Tabqa gegen das Assad-Regime zu verteidigen.
Bei der Strafzumessung hat der Senat zugunsten des Angeklagten u.a. berücksichtigt, dass er die ihm vorgeworfenen Taten eingeräumt hat und das Verfahren deshalb zügig und ohne umfangreiche Beweisaufnahme abgeschlossen werden konnte. Ursprünglich waren für das Verfahren etwa 20 Sitzungstage angesetzt.
Hintergrund dieser zügigen Verfahrensbeendigung war eine zwischen dem Senat und den Verfahrensbeteiligten getroffene Vereinbarung, die das Gesetz in § 257c Strafprozessordnung (StPO) vorsieht. Im Rahmen einer solchen Verständigung sagt das Gericht dem Angeklagten zu, dass es ein Geständnis bei der Strafzumessung mildernd berücksichtigen wird und stellt ihm einen Strafrahmen in Aussicht, in dem sich die Strafe bewegen wird, wenn sich die geständige Einlassung zur Überzeugung des Gerichts als richtig erweist. Hier hatte der Senat dem Angeklagten eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten bis zu drei Jahren und 10 Monaten in Aussicht gestellt.
Gegenstand einer solchen Verständigung können grundsätzlich nur das Strafmaß und etwaige Auflagen, wie zum Beispiel Bewährungsauflagen sein. Der Schuldspruch oder ein Verzicht auf Rechtsmittel sind demgegenüber nicht verhandelbar und können deshalb nicht Gegenstand einer Vereinbarung sein.
An eine geschlossene Vereinbarung ist das Gericht dann nicht mehr gebunden, wenn sich herausstellt, dass rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen wurden oder sich solche während des Verfahrens ergeben und das Gericht deshalb zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. In einem solchen Fall darf das Gericht die geständige Einlassung des Angeklagten aber auch nicht zu dessen Nachteil verwerten.
Für die in diesem Verfahren angeklagte Tat hat der Senat gegen den Angeklagten eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verhängt.
Dass die Gesamtfreiheitsstrafe in dem Urteil auf drei Jahre und sechs Monate lautet, ist dadurch begründet, dass der Anklagte am 13. Mai 2019 durch das Landgericht Stade (Az. 112 Js 24624/16) wegen gefährlicher Körperverletzung rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr, 10 Monaten und zwei Wochen verurteilt wurde, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Diese Freiheitsstrafe musste aufgrund gesetzlicher Bestimmen in die vom Senat in dieser Sache verhängte Freiheitsstrafe einbezogen und eine Gesamtfreiheitsstrafe gebildet werden.
Nach dem Gesetz muss eine Gesamtstrafe dann gebildet werden, wenn der Angeklagte zeitlich nacheinander verschiedene Taten begangen hat, die in unterschiedlichen Verfahren verhandelt und abgeurteilt werden. Unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Landgerichts Stade hat der Senat im hiesigen Verfahren deshalb auf die genannte Gesamtfreiheitsstrafe erkannt.
Die Entscheidung kann mit Revision angegriffen werden und ist noch nicht rechtskräftig. Der Senat hat den Haftbefehl gegen den Angeklagten aufrechterhalten. Er befindet sich deshalb weiterhin in Untersuchungshaft.