Völksen.
Etwa 40 anwesende Bauern, NABU Mitglieder und Bürger diskutierten, teilweise kontrovers, die aktuelle Situation der Landwirtschaft im Calenberger Land, Deutschland und global. Auslöser der Grüne - Kreuz - Aktion und der Trecker-Demonstrationen waren u.a. die neue Düngeverordnung und die grundsätzlichen Schuldzuweisungen an die Landwirtschaft: Nitratbelastung des Wassers, Insektensterben fehlender Klimaschutz usw.
Die jungen Landwirte organisieren die Trecker-Demonstrationen, um auf die gefährdete Existenz ihrer Betriebe und Familien hinzuweisen. Gleichzeitig soll die Politik Aufgeweckt sowie Bürger und Verbraucher informiert werden. Auf dem Podium trugen vor, beantworteten Fragen und diskutierten: Björn Estorf (Gestorf) Bauer und Mitglied Landvolk Region Hannover Friedrich Bartels (Springe) Bio-Bauer und Mitglied NABU Springe Arndt v. Hugo (Barsinghausen) Bauer, Mitglied Landvolk Region Hannover Moderation Klaus Nagel, Vorstand FDP-Springe.
Schwerpunkt: Nitratbelastung des Trinkwassers
Die neue Düngeverordnung schränkt die Verwendung von Stickstoffdünger in gefährdeten Gebieten erheblich ein. Bauern müssen in den sogenannten „Roten Gebieten“ die Düngung drastisch einschränken - mit der Folge, dass z.B. der angebaute Weizen nicht mehr zu Backmehl verarbeitet kann, sondern nur noch als Futterweizen dient. Es muss dann mehr Weizen aus Bulgarien und Rumänien als bisher importiert werden. Die Anbaubedingungen dort vor Ort entziehen sich unseren Kenntnissen. Deutschland hat im Rahmen der EU-Verordnung nur die 162 schlechtesten Wasser-Messwerte (Nitratgehalt > 50 mg/l) genannt. Die weit über 1000 unkritischen Messstellen fanden laut Herrn Estorf keine Berücksichtigung, andere EU-Länder meldeten nur die besseren Durchschnittswerte. Die Auswahl und die technische Ausstattung der Messstellen in der Region und in Niedersachsen wird deutlich vom Landvolk kritisiert. Es soll jetzt aber eine lang geforderte technische Überprüfung stattfinden. Björn Estorf zeigte auf einer interaktiven Landkarte online die aktuellen Messwerte z.B. in Oerie (62 mg/l), Mittelrode (0,22 mg/l). Herr Dr. Willenbockel (NABU Springe) erläuterte sehr ausführlich die Wirkung von nitratbelastetem Trinkwasser für uns Menschen und besonders Kleinkindern. Klaus Nagel wies darauf hin, dass es keine bessere Überwachung bei Lebensmitteln gibt als bei unserem Trinkwasser. Nur Wasser unterhalb der Grenzwerte wird zum Verbrauch freigegeben. Herr Helmut Zieseniss aus Völksen und die anderen anwesenden Landwirte wollen natürlich alles tun, um Wasser und Umwelt sorgsam zu schützen. Das Ackerland sichert seit Jahrhunderten die Existenz der bäuerlichen Familie - ein sorgsamer Umgang damit ist überlebenswichtig.
Schwerpunkt: Diskussion Artensterben und Pflanzenschutz
Herr Estorf erläuterte, dass es zu keinem Zeitpunkt einen sparsameren Umgang mit den teuren Pflanzenschutzmitteln gegeben hat als jetzt aktuell. Die moderne Sprühtechnik bringt Pflanzenschutzmittel in deutlich geringeren Mengen sehr dicht über dem Ackerboden aus. Ein Verwehen wird dadurch deutlich reduziert. Noch in den 80iger Jahren versprühten Flugzeuge die Pflanzenschutzmittel über Gestorfer Ackerflächen. Mehrere NABU Mitglieder beriefen sich auf Untersuchungen, die eine deutliche Reduzierung von Insekten, Wildbienen und Vögel feststellten. Die Insektenrückgang hängt möglicherweise nicht direkt von den Pflanzenschutzmitteln, sondern von den nicht mehr vorhandenen Blühkräutern ab, weniger Insekten = weniger Vögel. Gegenargumente der Landwirte waren, dass sich die Lebensbedingungen für die Insekten geändert haben und damit möglicherweise auch die Lebensgrundlage der Vögel. Weniger Nutztierhaltung, keine Misthaufen, sogenannte Steingärten, trockene Sommer, Windräder etc. wirken sich auf die Population der Insekten und somit der Vögel aus. 260 niedersächsische Landwirte haben auf freiwilliger Basis ohne Förderung auf Teilen ihrer Ackerfläche bienenfreundliche Blumen und Kräuter ausgesät und firmieren unter: bienenfreundlicher Landwirt.
Schwerpunkt: Verbraucherverhalten
Bio Bauer Friedrich Bartels betreibt nach eigenen Angaben seit Jahrzehnten erfolgreich Biolandwirtschaft. Gemüse, Eier, Fleisch und andere Bioprodukte werden im eigenen Hofladen zu fairen Preisen angeboten. Für den weit überwiegenden Teil der Verbraucher gilt aber weiterhin: billig, billig, billig. Die anwesenden Bauern legen Wert auf die Feststellung, dass ihre heimischen Produkte den hohen Anforderungen in Deutschland entsprechen.
Nach der Veranstaltung bildeten sich viele unterschiedliche auch kontroverse Diskussionsgruppen. Aber alle waren sich einig, man muss für ein gegenseitiges Verständnis mehr zuhören und mehr kommunizieren - genau dies hatte ein Bürger schon während der Veranstaltung angemahnt.