Region. „Heute kaufen, später bezahlen“, das ist ein schon lange bekanntes Geschäftsmodell. Schon unsere Eltern bestellten Waren im Versandhandel, ließen sie liefern und bezahlten dann auf Rechnung oder „auf Raten“. Was damals schon manchen in Zahlungsschwierigkeiten brachte, führt noch heute dazu, dass das Statistische Bundesamt „Versandhäuser“ als eigenständige Gläubigerkategorie in der Überschuldungsstatistik erfasst..
Heute ist das Geschäftsmodell digital und nennt sich „Buy now, Pay later“ (BNPL). In der Handhabung ist es einfach, wenige Klicks und die Ware ist bestellt. Doch die rechtliche Konstruktion dahinter ist komplex. Es wird nicht nur ein Vertrag mit dem Lieferanten geschlossen, sondern ein zweiter mit einem Zahlungsdienstleister und unter Umständen zugleich ein dritter Vertrag mit einem Inkassounternehmen.
Vor allem junge Menschen mit geringem Einkommen können durch diese Verträge in die Schuldenfalle geraten. Wenn sie häufig digital shoppen, kann schnell der Überblick verloren gehen. Deshalb stellt die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) die diesjährige Aktionswoche Schuldnerberatung vom 10. bis 14. Juni unter das Motto „Buy now, Inkasso später“.
Die AG SBV möchte auf die Tücken des Geschäftsmodells aufmerksam machen und fordert Transparenz bei „Buy now, Pay later“-Angeboten.
„Als Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in Niedersachsen schließen wir uns den Forderungen der AG SBV an“, sagt der Vorsitzende der LAG FW, Dr. Gerhard Tepe. „Der Bundesgesetzgeber muss dafür sorgen, dass vor allem junge Menschen wissen, auf was sie sich bei BNPL-Angeboten einlassen und worauf sie achten müssen. Denn wer nicht innerhalb der gesetzten Frist den fälligen Betrag zahlt, der schließt schon mit der Bestellung einen Kreditvertrag mit einem Zahlungsdienstleister, dessen Konditionen nicht klar genug kommuniziert werden.“
Wenn Inkassounternehmen in ein solches Geschäftsmodell eingebunden sind, ist deutlich zu machen, in wessen Auftrag sie tätig sind und welche Kosten anfallen. Die Behauptung, den Kunden bei der Verwaltung ihrer Finanzen behilflich zu sein, darf nicht dazu dienen, in die Bankkonten der Kunden per Kontoverknüpfung Einblick zu nehmen und die gewonnenen Erkenntnisse für das Inkasso zu nutzen.
Bei der anstehenden Umsetzung des EU-Rechts zu Verbraucherkrediten muss deshalb der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor diesen Krediten besonders bedacht werden.
Diese neuen Herausforderungen und Schuldenfallen stellen weitere belastende Situationen insbesondere für Haushalte mit geringem Einkommen dar. Die Fortsetzung der Landesförderung für die soziale Schuldnerberatung ist der Landesregierung daher ein wichtiges Anliegen. Sozialminister Dr. Andreas Philippi begrüßt die Stärkung der Rechte von Überschuldung betroffener Menschen gegenüber der Wirtschaft auf europäischer Ebene und führt an: „Die niedersächsischen Schuldnerberatungsstellen leisten hier für Menschen in kritischen Lebenssituationen einen wichtigen Beitrag zur schnellen Hilfe und Beratung“.
Zukunftsweisender Ausbau der sozialen Schuldnerberatung
Nach der EU-Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten zukünftig sicherstellen, dass für Verbraucherinnen und Verbraucher mit (möglichen) finanziellen Problemen unabhängige Schuldenberatungsdienste leicht zugänglich zur Verfügung stehen.
Vor allem Kinder und Jugendliche brauchen in einer Welt, in der Verträge per einfachem Klick geschlossen werden, mehr Medien- und Finanzkompetenz. Deshalb ist es nicht nur wichtig, dass jede Person, die bereits Schulden hat, professionelle Beratung und Hilfe erhält. Es braucht auch präventive Angebote, in denen Menschen von klein auf lernen mit Geld, Handy und Internet verantwortungsvoll umzugehen.