Barsinghausen. Hans-Josef Fell, oft als Urvater des Erneuerbaren Energiegesetzes bezeichnet, hat auf Einladung von „Basche erneuerbar“ einen Vortrag in Barsinghausen gehalten. Der Verein konnte neben Fell u.a. auch Bürgermeister Henning Schünhof, Jens Palandt, Umweltdezernent der Region Hannover, Shteryo Shterev, Geschäftsführer Stadtwerke Barsinghausen und Arndt von Hugo, Vorsitzender Landvolk Hannover, für den Themenabend „Basche quo vadis“ begeistern. Fell zeigte nicht nur Probleme auf, sondern bot auch Lösungsvorschläge. Ein Verzicht von fossilen Brennstoffen zugunsten erneuerbarer Energien würden laut Fell für gesündere Bürger sorgen und auch die Wertschöpfung vor Ort stärken. „Wir haben es in der eigenen Hand.“.
Udo Sahling, Vorsitzender Basche erneuerbar, begrüßte am Montagabend in der Kulturfabrik Krawatte alle Gäste und Interessierte zur Veranstaltung. Zeigte sich der Verein zunächst zufrieden über 60 Anmeldungen, mussten zu Beginn weitere Stuhlreihen aufgebaut werden, um die knapp 120 Besucher unterzubringen. „Wir stehen vor großen Herausforderungen und einer Zeitenwende beim Thema erneuerbare Energien“, leitete Sahling zu den Begrüßungsworten von Bürgermeister Schünhof über.
Schünhof erinnerte an den Energiemonitor der Stadt Barsinghausen, der Dank Avacon zur Verfügung steht: „Hier sieht man deutlich, dass wir in Barsinghausen zeitweise unseren Energiebedarf schon zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien ziehen.“ Trotzdem stehe man weiterhin vor großen Herausforderungen. Die letzten Jahre hätten gezeigt, wie abhängig wir von Öl und Gas sind und wie schnell es zu Lieferengpässen kommen kann. Beim Ausbau der erneuerbaren Energien mache sich der Fachkräftemangel bemerkbar. „In Barsinghausen denken wir in neuen Baugebieten die Versorgung immer mit. Wir überlegen, wie die Abwärme der Industrie genutzt werden könnte und auch die alte Zeche erzeugt Energie“, so der Bürgermeister, „Das Wasser läuft kalt aus dem Deister in die Schächte und kommt im Schacht 4 in Eckerde mit 21 Grad wieder an die Oberfläche.“ Laut Schünhof seien nicht immer Großprojekte die Antwort, sondern die vielen kleinen Lösungen der Bürger, weshalb er sich über das große Interesse der Veranstaltung freute.
Sahling stellte kurz Hans-Josef Fell vor, der vor allem im süddeutschen Raum täglich in der Kommunalberatung unterwegs sei: „In seiner Zeit als Abgeordneter des Deutschen Bundestages für den Wahlkreis Bad Kissingen verfasste er den Gesetzesentwurf des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) mit, welcher im Jahre 2000 trotz vieler politischer Widerstände durchgesetzt und verabschiedet wurde. Das EEG ist die Grundlage für die weltweit beachtete technologische Entwicklung der Photovoltaik, Biogas, Windkraft und Geothermie in Deutschland. Inzwischen wurde das Grundprinzip des EEG in über 60 Nationen kopiert.“
„Dort wo es Gas und Öl gibt, gibt es erstaunlicherweise auch oft Konflikte und die Regime die Gewinne damit erzielen, nutzen es oft nicht für das Allgemeinwohl“, führte Fell in das Thema ein. Schon wegen dieser Ausgangslage sei ein Umdenken und ein Umschwung auf erneuerbare Energien vor Ort sinnvoll. Amerikanische Wissenschaftler hätten nachgewiesen, dass ein Verzicht von fossilen Brennstoffen und der damit zusammenhängenden Luftverschmutzung die Gesundheit der Menschen verbessere. „Saubere Energie kann tausende Menschenleben retten und Milliarden an Folgekosten aus Naturkatastrophen einsparen“, so Fell. Mit dem Ahrtal seien die Auswirkungen des Klimawandels in Deutschland angekommen: „Und wir waren und sind auf diese Auswirkungen nicht vorbereitet.“ Fell sagte, dass die Wissenschaft sich beim Klimawandel einig sei, auch wenn nicht klar sei, ob jedes Szenario so eintreffen werde. Jedoch werde sich das Leben, wie wir es kennen, nachträglich und eindrücklich verändern.
Anhand einer Grafik zeigte er das Versagen der Weltgemeinschaft beim Versuch den CO² Ausstoß zu verringern. „Schon in den 1990er Jahren war das Limit erreicht und steigt trotz jeder Weltklimakonferenz weiter an.“ Leider würden oft nur Scheinlösungen propagiert, von denen die großen Konzerne profitieren, die weiter ihre Energie verkaufen wollten, erklärte Fell in seinem Vortrag. „Dabei wären Lösungen so leicht.“
Es brauche eine biologische Landwirtschaft und eine saubere Forstwirtschaft, um den CO²-Abbau zu begünstigen – in einigen Ländern Europas gäbe es da schöne und erfolgreiche Vorbilder. „Schauen wir in die Vergangenheit, hat es immer große Energie-Revolutionen gegeben“, so Fell, „1900 fuhren in New York noch Pferdekutschen. 1913 waren es fast nur noch Autos. Computer haben innerhalb von nur zehn Jahren alles verändert, genauso wie Internet und Mobiltelefone.“ Wenn die Politik die Weichen stelle, könne eine weltweite Veränderung innerhalb kürzester Zeit möglich werden. „Von der zuvor noch alle dachten, das wäre ja eh nie möglich.“
Fell zeigte Beispiele von mit Solarpanelen überdachten Radwegen und Autobahnen. Von Mischformen in der Landwirtschaft, in denen Bäume und Solaranlagen auf Feldern für Schatten, Feuchtigkeitserhalt und dadurch mehr Erträge sorgten. „In der Wüste Gobi steht eine unfassbar große Solaranlage – diesen Platz haben wir hier gar nicht – doch unter der Anlage wuchsen nach einiger Zeit Pflanzen, wo sonst nur Sand war.“
Wirtschaft und erneuerbare Energien müssten zusammenfinden. „Im Osten haben wir tausende Jobs und viele Firmen verloren, weil die Solarfirmen in Deutschland aufgeben mussten und jetzt müssen wir alles aus China beziehen.“ Die Angst der Bürger vor neuen Anlagen und Technologien könnten genommen werden, wenn man sie beteilige. „Einige Kommunen in Deutschland sind schuldenfrei, da sie sich schon vor Jahren für Energieerzeugung vor Ort, unter Beteiligung der Bürger, entschieden haben und Geld verdient, anstatt ausgegeben haben. Wenn z.B. Putin das Gas abstellt, interessiert das dort niemanden mehr.“
Ein Problem sei derzeit jedoch noch das Speichern der Energie, gerade wenn die Erzeugung der erneuerbaren schwanke. Hierzu müsse es flexible Stromerzeugung durch Wasserkraft, Bioenergie, Geothermie geben. Der Stromverbrauch müsse sich anpassen und es müsste in Speichermöglichkeiten wie Batterien, Pumpenspeicher, Wärmespeicher usw. investiert werden. Um die alte Zeche wieder aufzugreifen, erklärte Fell, das auch alte Bergwerkschächte durch „Schwerkraft Energiespeicher“ als Stromspeicher genutzt werden können. In Kentucky, USA, gäbe es so etwas bereits. „Wir haben es selbst in der Hand, wenn wir es nur wollen und die Kommunen mitmachen“, beendete Fell seinen Vortrag.
Mit dem Stichwort „mitmachen“ lud Udo Sahling dann zur Podiumsdiskussion ein. In drei Runden wurde über Windkraft, PV-Anlagen und kommunale Wärmeplanung gesprochen. Zu jedem Themenfeld waren Fachleute aus der Wirtschaft, Landwirtschaft und Stadtverwaltung geladen. Zum Ende der Diskussionsrunden, die due Möglichkeiten in Barsinghausen aufzeigten, versprach Bürgermeister Henning Schünhof mit einem Blick in die Zukunft, die notwendigen Voraussetzungen dafür schaffen zu wollen, dass Barsinghausen seinen großen Energiehunger möglichst bald in möglichst hohem Umfang durch erneuerbare Energie decken können werde.