Barsinghausen.
Kim Dochow schaut genau hin, wer den Hof betritt. Immer mehr Gäste füllen das Areal der Wohnanlage für Menschen mit geistiger Behinderung. Viele sind der 21-Jährigen vertraut: Zum Sommerfest in Barsinghausen kommen vor allem Familienangehörige sowie Mitarbeitende aus anderen Einrichtungen der Diakonie Himmelsthür. Auf einmal geht ein Strahlen über Kims Gesicht: „Marvin!“, ruft sie glücklich, und schon liegen sich die jungen Leute im Arm. Dieser Tag ist ein besonderer, Kim Dochow ist aufgeregt: Gleich tritt sie mit dem Bewohnerchor vor allen Gästen auf – und übernimmt im letzten Stück die Solopartie.
Doch zuerst: „Im Frühtau zu Berge“, alle zusammen. „Wir haben 50 Lieder drauf, aber wir singen nur drei“, lacht der Mann mit der Gitarre. Peter Best heißt er, zusammen mit seiner Frau Christa leitet er den Chor. Der Enthusiasmus des Ehepaars, beide Mitte 70, wirkt ansteckend: Wer kann, singt, summt oder brummt mit. Auch Corinna Rotter, Autistin, der sonst die Worte ausbleiben, findet im Gesang zur Sprache.
Ohne „die Bests“ würde entschieden etwas fehlen, nicht nur beim Fest, sondern überhaupt im Einrichtungsalltag. Ehrenamtlich unterstützen sie schon seit vielen Jahren die Interessengemeinschaft Eltern geistig Behinderter e. V., die das Wohnprojekt initiiert und mit der Diakonie Himmelsthür einen kompetenten Partner gefunden hat. Christa und Peter Best veranstalten regelmäßig in der Rehrbrinkstraße 13 Singabende und werben über dies in der Stadt Spenden ein – die engen Beziehungen zum Rotaryclub kommen dabei zupass.
Nächstes Lied: „Die Affen rasen durch den Wald“, offenbar sehr beliebt bei Chor und Gästen. Doch schon nach wenigen Takten bricht Peter Best den Vortrag ab. Ein leichter Wind ist aufgekommen an diesem ansonsten hochsommerlichen Tag, und hat dem Ensemble die Textblätter aus den Händen geweht. „So, jetzt geht’s weiter. Drei-vier“, hebt der Chorleiter von Neuem an, nachdem jeder wieder seinen Zettel in Händen hält.
Nun naht Kim Dochows Auftritt. Sie wirkt ruhig, sammelt sich. Blickt in den Halbkreis der Menschen um sich herum, und intoniert mit zarter Stimme „Marmor, Stein und Eisen bricht“.
„Singen macht mich glücklich“, erzählt sie hinterher. Dann kauft sie eine Handvoll Lose und hofft auf Glück bei der Tombola. Von dem Erlös möchte sich die Hausgemeinschaft Fußballtore kaufen, und falls genug Geld zusammenkommt, auch noch einen Basketballkorb. Weiterer Höhepunkt des Nachmittags sind die artistischen Darbietungen des KIJUCIBA - Kinder- und Jugendcircus aus Barsinghausen.
Die moderne Wohnanlage in der Rehrbrinkstraße besteht seit 2014. Sie bietet 24 Männern und Frauen mit geistigen, zum Teil auch mit geistig-körperlichen Einschränkungen ein Zuhause. Hier können sie ihr Leben in einem geschützten Rahmen selbstbestimmt gestalten. Die Bewohner erhalten jeweils eine individuelle Tagesstruktur, arbeiten in einer Werkstatt oder besuchen eine Tagesförderung. Angeboten werden Vierer-Wohngruppen oder Einzelapartments, in einer Singlewohnung lebt auch Kim Dochow. „Kim ist eine lebensfrohe junge Dame. Sie lädt sich gern Mitbewohnerinnen in ihr Apartment ein, genießt es zugleich aber auch sehr, sich zurückziehen zu können“, beschreibt Wohnbereichsleiterin Sarah Breier (33) ihren Schützling. Insgesamt arbeiten 16 Personen in der Rehrbrinkstraße. Das Team ist jung und dynamisch und reicht vom Quereinsteiger bis zur Heilerziehungspädagogin.