Koldingen. Er ist ein fleißiger Naturschützer, aber trotzdem nicht bei allen beliebt - die Rede ist vom Biber. Das Nagetier baut Dämme und Burgen und verbessert damit den ökologischen Zustand von Gewässern und schafft einen natürlichen Hochwasserschutz. Doch da sein Dammbau auch dazu führt, dass zum Beispiel landwirtschaftliche Flächen überschwemmen, hat der Landtag kürzlich auf Initiative von SPD und Grünen die Erarbeitung eines Handlungskonzeptes zum Umgang mit den Bibern beschlossen - und die für Laatzen, Pattensen und Sehnde zuständige SPD-Landtagsabgeordnete Silke Lesemann hatte jetzt die örtlichen Akteure zu einem Status-Gespräch nach Pattensen eingeladen. Dabei stand die naturschutzpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion Julia Retzlaff den Teilnehmenden Rede und Antwort..
„Je mehr sich der Biber ausbreitet, desto mehr Konflikte wird es geben“, sagte die Politikerin zu Beginn des Gesprächs. Deshalb sei das Land frühzeitig tätig geworden und die SPD habe gemeinsam mit den Grünen einen entsprechenden Antrag im Februar in den Landtag eingebracht. Dafür gab es Lob von Wolfgang Fiedler, Vorsitzender der Ökologischen Station Mittleres Leinetal. „Hier hat die Landesregierung früh angefangen“. Fünf Arbeitsgemeinschaften zum Biber-Management sind bereits auf Landesebene gegründet worden. Ab Mitte August treffen sie sich, erste Ergebnisse werden im Frühjahr erwartet. „Wir wollen das Biber-Management auf gesunde Beine stellen“, betonte Retzlaff. Um den genauen Bestand in Niedersachsen zu ermitteln, gibt es eine AG Monitoring. Mehr als 600 Biber leben mittlerweile in der Region Hannover und Hildesheim - in 164 Revieren, berichtete Dieter Mahsarski, seit zehn Jahren ehrenamtlicher Biberberater beim Nabu in Laatzen. In Laatzen sollen es allein 18 Reviere mit 67 Tieren sein und in Pattensen sechs Reviere mit 22 Tieren. „Man rechnet mit 3,7 Tieren pro Revier.“ Die Kartierung und das Monitoring seien sehr arbeitsintensiv. Da die Tiere scheu sind, müssen die Experten mit Indizien arbeiten. Deshalb brauche es ehrenamtliche- und hauptamtliche Strukturen, erläuterte Mahsarski.
„Wir hoffen, dass das Land Geld für das Biber-Management zur Verfügung stellt“, sagte Melanie Bruns, Geschäftsführerin und Verbandsingenieurin vom Gewässer- und Landschaftspflegeverband Mittlere Leine. So brauche es unter anderem hauptamtliche Biberberater. Die Biber verursachten bereits jetzt sehr viel Arbeit und würden mittlerweile einen Großteil ihrer Arbeitszeit in Anspruch nehmen. In ihrem zuständigen Gebiet ist sie diejenige, die bei jedem neuen Biber-Bau eingeschaltet wird, der zu Konflikten führt. Dabei gebe es keine einheitlichen Lösungen. „Jeder Biberbau ist anders“, so Bruns.
Landwirt Hans-Heinrich Schnehage kann ein Lied davon singen. Er hatte bereits vor fünf Jahren Biber zu Gast. Seine Ackerfläche überschwemmte und war nicht mehr zu bewirtschaften. Nach Verhandlungen mit der Region Hannover erhielt er eine Ausgleichsfläche. Dies fordert auch Tassilo Hahne, Landwirt aus Gleidingen, denn eine seiner Ackerflächen steht ebenfalls unter Wasser. Es staue sich durch Biber-Dämme auf und die Drainage funktioniere nicht mehr. Und er warnte: viele weitere Hektar könnten folgen. Das Ausmaß könne seiner Ansicht nach größer sein, als es Ausgleichsflächen gibt. Sein Wunsch: „Es braucht einen Entschädigungsfonds für Landwirte“. Einen solchen Fonds hätten andere Bundesländer aufgelegt, nachdem sich der Biber vermehrt hatte.
Mahsarski kann diesen Wunsch nachvollziehen. Neben Überschwemmungen richte der Biber auch Schäden durch seine Nahrungssuche auf Ackerflächen an. Da es meist keine Uferstreifen gibt, suche er Nahrung direkt auf den an Bächen und Flüssen angrenzenden Agrarflächen. Um dem entgegen zu wirken, könnten Uferstreifen eine Lösung sein. „Wenn man sechs bis acht Meter unbewirtschaftet lassen könnte, würde dies seinen Aufenthalt auf den Ackerflächen stark reduzieren, denn er würde dort Nahrung finden“, so Mahsarski. Der Biber-Fachmann betonte die Nützlichkeit des Bibers als „Ökosystem-Ingenieur“. Er schütze vor Hochwasser, säubere mit seinen Dämmen das fließende Wasser und damit das Grundwasser, fördere die Artenvielfalt, schaffe Flachwasserzonen, wodurch Flächen dauerhaft Wasser aufnehmen könnten. „Für diese Aufgaben müssten wir als Gesellschaft viel Geld ausgeben - der Biber macht das kostenlos“, betonte Mahsarski. Er betonte außerdem, dass es beim Biber zu keiner Überbevölkerung kommen könne. Seine Population regele sich durch die natürliche Begrenzung von Revieren.
Die Gesprächspartner waren sich einig, dass es ein Biber-Management geben müsse. Wichtig sei dabei auch, dass die Aufgaben und Entscheidungsprozesse beim Biber-Management eindeutig geregelt sind, betonte Bruns. Es ist noch viel zu tun - auch darüber waren sich alle Teilnehmenden des Gesprächs einig. „Das kurzfristige Ziel war es, den Status abzufragen und die Akteure mit unterschiedlichen Interessen zusammenzuführen“, sagte Lesemann, die krankheitsbedingt nicht an dem Treffen teilnehmen konnte. Langfristiges Ziel sei es, die Flächen- und Gewässernutzung mit dem Artenschutz in Einklang zu bringen.