Anzeige

Lagebild Clankriminalität 2022 – „Parallelgesellschaften auch in Zukunft nicht dulden“

Region. Die Niedersächsische Ministerin für Inneres und Sport, Daniela Behrens, und die Niedersächsische Justizministerin, Kathrin Wahlmann, haben am 26. Juni das dritte gemeinsame Lagebild von Polizei und Justiz zur Clankriminalität in Niedersachsen vorgestellt..

Kriminelle Clanstrukturen sind gekennzeichnet durch die Begehung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten jeglicher Deliktsart und -schwere aus diesem Umfeld, das sich durch ein hohes kriminelles Potenzial und eine allgemein rechtsfeindliche Gesinnung auszeichnet.

Die maßgeblichen, ergänzenden Indikatoren umfassen unter anderem:

- das Ausleben eines stark überhöhten familiären Ehrbegriffs und das innerfamiliäre Sanktionieren von Verstößen gegen diesen Ehrbegriff,

- das Voranstellen von familieninternen, oft im Gewohnheitsrecht verwurzelten Normen über das Gesetz und die Verfassung,

- das Provozieren von Eskalationen auch bei nichtigen Anlässen oder geringfügigen Rechtsverstößen unter Ausnutzung clantypischer Mobilisierungs- und Bedrohungspotentiale,

- eine den Rechtsstaat umgehende oder unterlaufende Paralleljustiz.

Wesentliche Inhalte des Lagebildes 2022

Im Jahr 2022 wurden der Clankriminalität insgesamt 3.986 Straftaten zugeordnet, im Jahr 2021 waren es noch 2.841. Dieser deutliche Anstieg der Fallzahlen um etwa 40 Prozent ist sowohl auf einige Umfangsverfahren als auch auf eine durch intensive Befassung mit den Strukturen verbesserte phänomenbezogene Zuordnung zurückzuführen. Verglichen mit der gesamten Polizeilichen Kriminalstatistik, welche 523.996 Straftaten insgesamt ausweist, ergibt dies für die Clankriminalität einen prozentualen Anteil von 0,76 Prozent.

Innenministerin Behrens erklärt dazu: „Der Anstieg der Fallzahlen um etwa 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr ist ein Beleg dafür, dass wir bei der Zuordnung von Taten deutlich besser geworden sind. Er verdeutlicht aber auch, dass wir die Clankriminalität weiter sehr genau beobachten und entschieden bekämpfen müssen. Sogenannte ‚Hotspots‘, wie wir sie dieser Tage in anderen Bundesländern wahrnehmen, gibt es in Niedersachsen nicht in vergleichbarem Ausmaß. Die Niedersächsische Polizei und die Justiz setzen alles daran, dass das auch in Zukunft so bleibt!“

Kathrin Wahlmann: „Die niedersächsische Justiz hat auf das Phänomen der Clankriminalität reagiert und vier spezialisierte Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften in Braunschweig, Hildesheim, Osnabrück und Stade eingerichtet. Die Arbeit der Zentralstellen basiert dabei auf einem ganzheitlichen Ansatz, der die konsequente Bekämpfung von Clankriminalität umfassend nicht erst ab der Schwelle zur Organisierten Kriminalität, sondern bereits deutlich darunter, zum Gegenstand hat. “

Die Clankriminalität hat zwar statistisch nur weniger als ein Prozent Anteil an der polizeilich erfassten Kriminalität, stellt aber die Strafverfolgungsbehörden anhaltend vor große Herausforderungen und wirkt sich neben den objektiv von ihr ausgehenden Gefahren insbesondere auf die subjektive Sicherheit der Bürger negativ aus, weshalb sie seit mehreren Jahren als ein landesweiter Schwerpunkt in der Aufgabenwahrnehmung von Polizei und Justiz verfolgt wird.

Kennzeichnend für das Phänomen der Clankriminalität machen Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit mit 1.268 Taten fast ein Drittel der Gesamtfälle aus. Bei genauerer Betrachtung wird dabei ersichtlich, dass insbesondere die Körperverletzungsdelikte mit 763 Fällen einen Großteil der Rohheitsdelikte ausmachen. Bei den Straftaten gegen die persönliche Freiheit mit 452 Delikten liegt der Schwerpunkt bei den Bedrohungen mit insgesamt 354 Fällen.

3.323 Personen wurden als tatverdächtige Personen erfasst, im Vergleich dazu waren es im Jahr 2021 noch 2.622 Tatverdächtige. Etwa 82 Prozent der tatverdächtigen Personen waren männlich und 57% in einem Alter unter 30 Jahren. Etwa 55 Prozent der ermittelten Tatverdächtigen haben die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Tatorte verteilen sich – in unterschiedlicher Ausprägung – über das gesamte Flächenland Niedersachsen, sowohl in städtischen als auch in ländlichen Gebieten. Eine dauerhafte Konzentration an bestimmten Orten ist nicht festzustellen.

Maßgebliche Bekämpfungsansätze

Mit der im Januar 2022 aktualisierten „Landesrahmenkonzeption zur Bekämpfung krimineller Clanstrukturen in Niedersachsen“ bestehen landesweit einheitliche und zukunftsfähige Standards, die auf einen ganzheitlichen und niedrigschwelligen Ansatz abzielen.

Innenministerin Behrens sagt: „Die niedersächsischen Strafverfolgungsbehörden setzen dabei konsequent auf eine Null-Toleranz-Strategie. Das bedeutet erstens: hoher Kontrolldruck und zweitens: niedrigschwelliges Einschreiten. Wir schauen hin, wenn kriminelle Mitglieder von Großfamilien ihre Macht zur Schau stellen und greifen konsequent ein.“

Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf Verkehrs- und Gewerbekontrollen – ­auch unter Beteiligung kommunaler Behörden wie Ordnungs‐, Finanz‐ und Bauämtern sowie der Gewerbeaufsicht. Ziel ist die eindeutige Botschaft und Realität, dass Rechtsverstöße jedweder Art mit aller Konsequenz verfolgt werden.

Justizministerin Wahlmann ergänzt: „Aus einem Großteil der Straftaten von Clanmitgliedern spricht eine grundsätzliche Verachtung unserer offenen, demokratischen Gesellschaft und unseres Rechtssystems. Das nehmen wir nicht hin. Das Gewaltmonopol liegt beim Staat; Parallelgesellschaften werden wir auch in Zukunft nicht dulden. Unsere Botschaft ist klar: Wer sich über unsere Gesetze und Regeln stellt, der wird auch in Zukunft die volle Härte des Rechtsstaates zu spüren bekommen.“

Bei der Bekämpfung des Phänomens Clankriminalität ist zudem die Intensivierung der Netzwerkarbeit von besonderer Bedeutung. Dazu Ministerin Behrens: „Die Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden mit anderen externen Netzwerkpartnern hat sich mittlerweile etabliert und ist ein entscheidender Bekämpfungsansatz gegen die Verfestigung krimineller Clanstrukturen. Bei vielen Behörden herrscht der Konsens, dass die Intensivierung dieser Partnerschaften unabdingbar ist und auch im zurückliegenden Berichtsjahr sind weitere Kooperationen entstanden. Mit diesem Ansatz nimmt Niedersachsen auch im Bundesvergleich eine Vorreiterrolle ein und bringt sich entsprechend mit Best-Practice-Beispielen in der geplanten ‚Allianz gegen Clankriminalität‘ des Bundesinnenministeriums ein.“

Das Fazit von Justizministerin Kathrin Wahlmann: „Unsere niedersächsischen Behörden sind gut vernetzt – dadurch gelingt es uns, Clankriminalität schnell und effektiv zu verfolgen. Dabei kooperieren unsere Ermittlungsbehörden auch mit Kommunen und führen regelmäßige Netzwerktreffen durch. Es freut mich, dass Niedersachsen inzwischen eine beispielgebende Vorreiterrolle bei der Bekämpfung von Clankriminalität eingenommen hat.“