Region. Die Landesarmutskonferenz LAK Niedersachsen warnt angesichts wachsender Armut und zunehmender Spaltung zwischen Arm und Reich vor einer Re-Feudalisierung der Gesellschaft..
Klaus-Dieter Gleitze, Geschäftsführer der LAK Niedersachsen, erklärt:
„Durch die zunehmende Spaltung unserer Gesellschaft in Arm und Reich bewegen wir uns langsam aber sicher auf die Wiederherstellung einer feudalen, fast mittelalterlichen Ordnung zu. Das ist eine Bedrohung demokratischer Legitimation. Heutzutage findet der Ausschluss breiter, armer Schichten der Gesellschaft subtiler statt als im Mittelalter und das macht diesen Prozess so gefährlich. Wurde die Spaltung der Gesellschaft früher staatlich verordnet, durch absolut herrschende Könige, Adel und Klerus, regelt diese Trennung heute ein wenig kontrollierter Markt. Das feudale, für alle jederzeit erkennbare Erbprinzip von Ressourcen und Privilegien läuft heute unsichtbarer über Geld, Bildung und kulturelles Kapital: Auf der einen Seite bildungsarme Transferbezieher*innen in sozialen Brennpunkten in der vierten Generation, auf der anderen Seite leistungslose Erbe von Supervermögen, aufgewachsen in Privatschulen und Eliteunis, mit exzellenten Karriere-Netzwerken. Das Dreiklassen-Wahlrecht früherer Adelsgesellschaften, in Deutschlang gültig bis 1918, spiegelt sich schleichend in der Wahlbeteiligung nach Wohnort wider. Je höher das Einkommen in Wohngebieten, desto höher die Wahlbeteiligung dort, oft doppelt so hoch wie in sozialen Brennpunkten. Dort hat durchgängig die rechtsextreme AfD ihre höchsten Wahlergebnisse, Prozess einer wachsenden Frustration und Ausschluss-Erfahrung. Wachsende Trennung der Lebenswelten. Wo der Adel früher in Schlössern und Burgen residierte, trennt das Geld heutzutage die Menschen nach Wohnlagen, sozialer und kultureller Teilhabe und Chancen. Die einen in sozialen Brennpunkten, von Wohnungslosigkeit bedroht und ausgeschlossen von Infrastruktur, Mobilität und Aufstiegsmöglichkeiten. Die anderen in sogenannten luxuriösen „Gated Communities“, streng bewacht und abgeschirmt vom Rest der Gesellschaft. Austausch, Kommunikation als Nährboden von Demokratie wird immer weniger. Mittlerweile ist als Folge der Poly-Krisen Ernährungsarmut, Hunger für eine wachsende Zahl von Menschen auch in Deutschland, einer der reichsten Gesellschaften der Welt, wieder ein gesellschaftliches Problem - mittelalterliche Zustände.“
Die mangelnde Chancengleichheit in unserer Gesellschaft erinnert an einen Hundertmeterlauf, wo viele Teilnehmende am Start einen schweren Rucksack auf dem Rücken haben, Inhalt: Mangel an Ressourcen wie Geld, Bildung, Selbstbewusstsein.
Um die aus dem Lot geratene Schieflage der Gesellschaft wieder etwas zu korrigieren, müssen wir auch unkonventionell denken und diskutieren, wie z. B. über die Schaffung eines „Grunderbes“ für alle ab 18, refinanziert durch eine Vermögensabgabe von Superreichen.
Die LAK fordert unter anderem:
- Sofortige Einführung einer armutssicheren Kinder-Grundsicherung
- Sondervermögen für sozialen Wohnungsbau
- 9-Euro Ticket für Arme für mehr Mobilität und Teilhabe
- Erhöhung der Regelsätze für Bürgergeld und Grundsicherung um 200 Euro im Monat
- Gesellschaftliche Diskussion um die Einführung eines „Grunderbes“ für alle ab 18 und dessen Re-Finanzierung durch eine Vermögensabgabe der Superreichen.