Region. Die Landesarmutskonferenz LAK Niedersachsen befürchtet angesichts einer Armutsgefährdungsquote in Deutschland von 15,8 Prozent für 2021 vor dem Hintergrund der aktuellen Krisen eine tiefgreifende und dauerhafte Spaltung der Gesellschaft mit gefährlichen Konsequenzen für unsere Demokratie. Laut Statistischem Bundesamt waren 2021 circa 13 Millionen Menschen betroffen, fast jeder Sechste. Die Grenze für Einkommensarmut lag bei 1.251 Euro im Monat für Alleinlebende..
Klaus-Dieter Gleitze, LAK-Geschäftsführer, betont: „Die Zahlen sind nach wie vor fast auf Rekordniveau und wenn der Staat nicht sofort nachhaltige Maßnahmen zur Bekämpfung der weiteren Spaltung unserer Gesellschaft ergreift, wird das gefährliche Konsequenzen für unsere Demokratie haben. Bereits jetzt ist die Wahlbeteiligung in sozialen Brennpunkten oft 50 Prozent niedriger als in Vierteln mit überdurchschnittlichem Einkommen und regelmäßig fährt die AfD dort ihre besten Wahlergebnisse ein.
Der kommende Winter wird diese Tendenzen verstärken. Bis in die Mittelschicht hinein erzeugen hohe Inflationszahlen vor allem bei Grundnahrungsmitteln, Energiepreisexplosionen, Coronaauswirkungen, Kriegsfolgen, Klimakosten existentielle Ängste. Angst ist kein guter Ratgeber in sich häufenden Krisen, davon profitieren im Zweifel rechte Populisten. Bereits jetzt haben ca. 40 Prozent der Bevölkerung praktisch keine Rücklagen, um auch nur kurzfristige Krisensituationen zu überbrücken, fast 10 Prozent sind überschuldet. Auf der anderen Seite hat eine aktuelle Untersuchung vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ergeben, dass das Vermögen in Deutschland bisher völlig unterschätzt, wurde: Um 4.000 Milliarden Euro zu niedrig, was dem gesamten deutschen Bruttoinlandsprodukt eines Jahres entspricht. Das durchschnittliche Haushaltsvermögen beträgt demzufolge 420.000 Euro. Real dürfte es deutlich höher liegen, da der Reichtum im Land nach wie vor unvollständig erfasst wird und Kapital ein scheues Reh ist. Auch die öffentlichen Hände sind nicht arm. Wenn in Krisenzeiten Banken und „systemrelevante“ Unternehmen gerettet werden sollen, werden sofort Bazookas ausgepackt und Milliarden Steuergelder bereitgestellt. 100 Mrd. Euro zusätzlich für Militär standen als Konsequenz des Ukrainekrieges diskussionslos über Nacht bereit.
Sind die Armen in unserer Gesellschaft nicht systemrelevant? Wo bleibt die Bazooka für den sozialen Frieden? Wann werden endlich die skandalösen Übergewinne der Krisengewinner besteuert? Warum werden nach wie vor Superreiche nicht angemessen an der der Finanzierung unseres Gemeinwesens beteiligt? Das muss gesellschaftlich angemessen diskutiert werden. Wir brauchen einen Nationalen Aktionsplan gegen Armut. Als erste Schritte fordert die LAK eine Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze und Grundsicherung auf 600 Euro im Monat. Die aktuell diskutierte Erhöhung um 50 Euro ist unzureichend. Eine Regulierung der prekären Arbeitsverhältnisse, sie sind verantwortlich für Armut trotz Arbeit und Altersarmut und eine Vermögensabgabe für Superreiche.
Frauen sind eher armutsgefährdet als Männer. Insgesamt waren 16,5 Prozent der Frauen, aber nur 15,1 Prozent der Männer im Jahr 2021 von Armut bedroht. Im Alter wird die Differenz noch größer: Frauen ab 65 Jahren 21,0 Prozent, Männer 17,4 Prozent. Mehr als ein Viertel der Alleinlebenden sowie der Personen aus Alleinerziehenden-Haushalten waren armutsgefährdet. Arbeitslose waren mit 47 Prozent armutsgefährdet. Bei den überwiegenden Erwerbstätigen betrug der Anteil dagegen nur 8,6 Prozent.
Die Landesarmutskonferenz LAK Niedersachsen wurde 1995 gegründet. Sie ist ein Zusammenschluss von Verbänden, Gewerkschaften undInitiativen.