Region. Die Corona-Pandemie hat insbesondere die Kinder- und Jugendhilfe vor immense Herausforderungen gestellt. Zugleich steigt die Armutsgefährdung für Kinder und Jugendliche in Niedersachsen weiter an. Zu diesem Ergebnis kommt der 7. Kommentierte Basisbericht im Rahmen der Landesjugendhilfeplanung, der heute in Hannover vorgestellt wurde. „Die Pandemie hat die soziale Spaltung bei Kindern und Jugendlichen leider noch verschärft. Politik und Gesellschaft sind daher umso mehr aufgefordert, Maßnahmen zu entwickeln, damit Kinder aus armen Verhältnissen die gleichen Chancen und Teilhabemöglichkeiten erhalten wie andere Kinder“, sagt Niedersachsens Sozialministerin Daniela Behrens..
Jedes siebte Kind in Niedersachsen ist mittlerweile abhängig von Mindestsicherungsleistungen. Kinder von Alleinerziehenden sind dabei weiterhin überdurchschnittlich auf Sozialgeld angewiesen. Die Zahl tatsächlich festgestellter Kindeswohlgefährdungen hat sich laut dem Basisbericht von 2010 bis 2020 nicht erhöht. Erstmals konnten in dem Bericht Daten und Entwicklungen über einen Zeitraum von über zehn Jahren betrachtet werden. Schwerpunkte des Berichtes bilden die Sozialstruktur und die Hilfen zur Erziehung.
„Es freut mich, dass in diesem Bericht auch die Verantwortlichen in der Kinder- und Jugendhilfe selbst zu Wort gekommen sind“, so Behrens. Weil sich die Auswirkungen der Corona-Pandemie noch nicht in den Zahlen des Berichts ablesen lassen, sind die Datenreihen um eine qualifizierte Erhebung ergänzt worden. Die Gruppeninterviews mit öffentlichen und freien Trägern der ambulanten und stationären Erziehungshilfe machten deutlich, wie stark sich die Corona-Krise etwa in den Hilfen zur Erziehung niedergeschlagen haben. „Überall wurde schnell und pragmatisch reagiert, sei es mit digitalen Lösungen und Homeoffice, aber auch mit angepasster pädagogischer Arbeit. Das belegt das immense Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, lobt Behrens.
So wurden Laptops, Handys und Kameras angeschafft und Datenleitungen aufgestockt, auch um bei den Kindern und Jugendlichen in den Wohngruppen die fehlende Freizeitaktivität während des Lockdowns zu kompensieren. Zum einen wurde über eine große Solidarität und Stärkung des Teamgeistes während der Lockdownphasen berichtet. „Zum anderen besteht in vielen Einrichtungen der Eindruck, dass die Kinder- und Jugendhilfe den Krisenmodus seit der Flüchtlingskrise ab 2015 gar nicht mehr verlässt“, so die Ministerin.
Bei den statistischen, also quantitativen Erhebungen des Berichts fällt auf, dass zwar die Anzahl der Verfahren zur Gefährdungseinschätzung bei Unter-18-Jährigen in Niedersachsen seit 2010 deutlich angestiegen ist. Die tatsächlich festgestellten Kindeswohlgefährdungen hingegen liegen im Berichtsjahr 2020 auf demselben Niveau wie noch im Jahr 2010. „Das zeigt, dass die Bevölkerung sensibler und aufmerksamer hinschaut, wenn es zum Beispiel um mögliche sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche geht. Mut macht dabei, dass eine Zunahme von tatsächlichen Kindeswohlgefährdungen offenbar nicht erfolgt ist“, sagt Ministerin Behrens.
Weiterhin wurde festgestellt, dass unter den Minderjährigen in Niedersachsen jede bzw. jeder Fünfte als armutsgefährdet gilt und jedes siebte Kind auf Mindestsicherungsleistungen angewiesen ist. Der niedersächsische Durchschnittswert der SGB II-Quote für Kinder unter 15 Jahren liegt damit leicht über dem gesamtdeutschen Wert.
Beim Blick auf die Eingliederungshilfen setzt sich der Trend der Vorjahre fort, die Zahlen stiegen auch 2019 und 2020 im Landesdurchschnitt an. 2020 gab es im Landesdurchschnitt 12,3 Eingliederungshilfen pro 1.000 Unter-18-Jährigen, das ist in etwa eine Verdoppelung zu 2010. Die ambulante Quote der Eingliederungshilfen (EGH) ist dabei bestimmend für die Entwicklung, sie liegt deutlich über der stationären Quote. Die Dynamik der ambulanten EGH-Quote speist sich wesentlich aus der steigenden Zahl der Hilfen an Schulen.
Die Gesamtzahl der teil- und vollstationären Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe steigt im Jahr 2020 erneut um 1,21 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und erreicht damit den bislang höchsten Wert von 670 Einrichtungen. In diesem Zusammenhang gibt es auch mehr Träger von Jugendhilfeeinrichtungen.