Region. Die Anzahl der politisch motivierten Straftaten ist 2022 in Niedersachsen im Vergleich zum Vorjahr (5.371 Taten) um etwa 11 Prozent auf 4.768 Taten leicht gesunken. Die das Gesamtbild prägenden Ereignisse waren die Nachwirkungen der Covid-19-Pandemie sowie Straftaten im Zusammenhang mit der Landtagswahl 2022 in Niedersachsen und des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine. Diese Taten machen einen Anteil von 1.766 Fällen aus. Der weit überwiegende Teil davon waren Sachbeschädigungen und Diebstähle..
Die Vergleichszahlen des Bundes wurden von Bundesinnenministerin Nancy Faeser am vergangenen Dienstag (09.05.) vorgestellt. Demnach sind die Fallzahlen der PMK im gesamten Bundesgebiet um 7 Prozent angestiegen und bilden mit 58.916 Straftaten einen neuen Höchstwert im Zehn-Jahresvergleich.
Ausschlaggebend für den Rückgang in Niedersachsen sind vor allem die zum Teil deutlichen Rückgänge der PMK in den Phänomenbereichen „rechts“ und besonders „links“. Ganz anders ist die Entwicklung der Fallzahlen im Phänomenbereich „nicht zuzuordnen“ (also keiner eindeutigen politischen Richtung zurechenbar) mit einem neuen und deutlichen Fallzahlenhoch im Zehn-Jahresvergleich.
Die Niedersächsische Ministerin für Inneres und Sport, Daniela Behrens: „Der Rückgang der politisch motivierten Straftaten bedeutet immer noch den zweithöchsten Wert im Zehn-Jahresvergleich. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie, der Landtagswahl 2022 und dem russischen Angriffskrieg war das wiederum hohe Niveau absehbar. Es gibt eine gewisse Unruhe in der Gesellschaft, die sich zum Teil in einem aufgeheizten öffentlichen Diskurs zu politischen Themen und im schlimmsten Fall auch in politisch motivierten Straftaten äußert. Sogenannte Querdenker und Reichsbürger sowie Anhängerinnen und Anhänger von Verschwörungsideologien und ‚Putin-Fans‘ lassen sich nicht eindeutig und ausschließlich dem klassischen rechten Spektrum zuordnen, auch wenn ihre häufig antisemitisch und fremdenfeindlich geprägten Weltbilder viele Anknüpfungspunkte dorthin aufweisen. Dieser extrem heterogenen Szene, die an vielen Stellen bereits bis in bürgerliche Milieus hineinreicht, etwas entgegenzusetzen und rechtsstaatliche Grenzen aufzuzeigen, wird in den kommenden Monaten und Jahren eine der maßgeblichen Aufgaben aller Sicherheitsbehörden, vor allem aber auch unserer Polizei, bleiben.“
- Personelle Stärkungen werden fortgesetzt -
Bereits im vorletzten Jahr wurde das Personal sowohl im Landeskriminalamt Niedersachsen (LKA) als auch bei den Fachkommissariaten Staatsschutz in den Polizeidirektionen weiter verstärkt. Behrens: „Im vergangenen Jahr wurden ganz entscheidende Veränderungsprozesse angeschoben. Diese führen zu einer weiteren Professionalisierung im polizeilichen Staatsschutz. Einhergehend mit einem neuen Regelwerk wurden flächendeckend zahlreiche Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter im Bereich Gefährdungsmanagement qualifiziert. Ebenso haben wir einen speziellen Aufgabenbereich für die fallbezogene Präventionsarbeit für den Bereich der PMK etabliert.“
- Nicht zuzuordnende Straftaten erstmalig größter Anteil -
Alle Fälle, die nicht unmittelbar einem spezifischen Phänomenbereich zugeordnet werden können, werden als „nicht zuzuordnen“ in der PMK Statistik erfasst. Mit 2.181 Fällen bildet dieser Phänomenbereich erstmalig den höchsten Anteil innerhalb der PMK. Einer Straftat im Phänomenbereich „nicht zuzuordnen“ lag eine terroristische Zielrichtung zu Grunde, die Tat wurde durch die Polizei verhindert. Zum Vergleich: Im Jahr 2021 hatte es zwei terroristisch motivierte Taten in diesem Bereich gegeben, die bereits frühzeitig in der Umsetzung gestoppt werden konnten. Behrens: „Im aktuell vorliegenden Fall sind die Ermittlungen abgeschlossen. Es bestand der Verdacht der Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Die Pläne konnten zu einem sehr frühen Zeitpunkt durch die Sicherheitsbehörden aufgedeckt und die Tat schon in der Entstehung verhindert werden. Das ist ein deutliches Signal und ein Beleg für die große Gefahr, die von Personen auch in diesem Spektrum ausgehen kann.“
- Leichter Anstieg auch bei Gewaltstraftaten -
Die Anzahl von Gewaltstraftaten der Politisch motivierten Kriminalität ist im vergangenen Jahr auf 286 (2021: 274) angestiegen und somit die höchste Fallzahl seit 2016. Den größten Anteil bilden dabei erstmalig 144 Gewaltstraftaten mit einer Tatmotivation, die nicht explizit zugeordnet werden konnte (2021: 64). Eine „rechte“ Tatmotivation wurde bei 66 Gewaltdelikten (2021: 68) festgestellt. Die Anzahl der Gewaltdelikte in den Phänomenbereichen „ausländische Ideologie“ und „religiöse Ideologie“ ist mit je 6 Taten im einstelligen Bereich geblieben. Im Bereich „links“ haben sich die Gewaltdelikte von 122 im Vorjahr auf 64 für 2022 nahezu halbiert.
Zu den einzelnen Phänomenbereichen:
PMK „links“
Insgesamt ist hier ein deutlicher Rückgang von 1.226 im Vorjahr auf 693 Straftaten im Jahr 2022 festzustellen.
Unter den insgesamt 64 linksmotivierten Gewaltdelikten waren Körperverletzungen (15), Gefährliche Körperverletzungen (13), Widerstand gegen bzw. Angriffe auf Vollstreckungsbeamte (18) und weitere Delikte im einstelligen Bereich.
PMK „rechts“
Im Bereich der PMK „rechts“ sind die Taten von 1.992 im Jahr 2021 auf 1.725 geringfügig zurückgegangen und bilden den zweithöchsten Anteil an allen PMK-Delikten. Einen großen Anteil mit 1.039 Straftaten bilden dabei Propagandadelikte durch das öffentliche Zeigen bzw. Aufbringen von verbotenen Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen, wie beispielsweise Hakenkreuze und SS-Runen.
Die Zahl der rechtsmotivierten Gewaltdelikte ist im Jahr 2022 von 68 Taten auf 66 um zwei Fälle zurückgegangen. Unter den 68 Gewaltdelikten befinden sich 32 einfache und 19 gefährliche Körperverletzungen, 10 Widerstandsdelikte gegen oder Angriffe auf Vollstreckungsbeamte oder ihnen gleichgestellte Personen und ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr. Für das vergangene Jahr ist eine Straftat aus dem Deliktsbereich des „Terrorismus“ zu verzeichnen.
Die Anzahl antisemitischer Straftaten als Teil der Hasskriminalität ist von 314 Taten im Vorjahr auf 197 gesunken. Davon sind 172 rechtsmotiviert. Ministerin Behrens stellt fest: „Dieser Rückgang ist keineswegs beruhigend. Jede dieser Taten ist eine zu viel. Wir müssen und werden hier weiterhin genau hinsehen. Die konsequente Bekämpfung des Antisemitismus ist dabei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.“
PMK „nicht zuzuordnen“
Die Anzahl der Straftaten im Bereich der PMK „nicht zuzuordnen“, also der Delikte, die politisch motiviert aber keinem spezifischen Phänomen zuzuordnen waren, ist im Jahr 2022 mit 2.181 Taten um 11 Prozent angestiegen (2021: 1.964). Damit hat sich der Trend aus dem Jahr 2021 fortgesetzt. Im Jahr 2020 waren hier noch 674 Straftaten registriert worden. Dies ist maßgeblich auf die Nachwirkungen der Corona-Pandemie mit den damit verbundenen versammlungsrechtlichen Aktionen sowie der Landtagswahl in Niedersachsen und den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine zurückzuführen. Im Kontext der Wahlen des vergangenen Jahres waren insbesondere Zerstörungen und Entwendungen von Wahlplakaten aber auch Sachbeschädigungen an Wahlkreis-/Parteibüros festzustellen.
Eine weitere Auffälligkeit bildet auch weiterhin das Phänomen der selbsternannten Reichsbürger und Selbstverwalter. Die Anzahl der Straftaten in diesem Bereich hat sich um 11 verringert, sie liegt jetzt bei 148 (2021: 159). Dabei hat es sich häufig um Beleidigungen und Nötigungen gehandelt; es waren aber auch 23 Gewaltdelikte zu verzeichnen. In 32 Fällen waren die Taten rechtsmotiviert.
Die Straftaten gegen Amts- und Mandatstragende sind von 419 auf 471 im Vergleich zum Vorjahr erneut angestiegen. Davon waren 72 rechts- und 16 linksmotiviert. In 381 Fällen konnte keine Zuordnung erfolgen.
„Auch hier zeigt sich ein absolut inakzeptabler Respektverlust vor unseren demokratischen Institutionen und den Menschen, die diese - häufig ehrenamtlich - mit Leben füllen“, so Ministerin Behrens. „Gerade vor diesem Hintergrund wiederholen wir aktuell unsere 2019 gestartete Aufklärungskampagne für Amtsträgerinnen und Amtsträger und Politikerinnen und Politiker im Nachgang der vergangenen Landtagswahl.“
PMK „ausländische“ und „religiöse Ideologie“
Für den Bereich der ausländischen Ideologie sind die Taten von 153 aus dem Vorjahr auf 124 Taten weiter gesunken. Im Bereich der religiösen Ideologie hat die Bedrohung durch den islamistisch geprägten Extremismus/Terrorismus weiterhin eine herausragende Bedeutung. Die Anzahl der in diesem Zusammenhang registrierten Straften ist im Vergleich zum Vorjahr von 36 auf 45 angestiegen. Allerdings hat die Anzahl der terroristischen Straftaten in diesem Bereich abgenommen. So sind noch 5 terroristische Straftaten aus einer religiösen Ideologie (Vorjahr: 7) registriert.