Barsinghausen. Angst vor einem russischen Luftangriff, Trauer um geliebte Menschen und die tiefgreifende Unsicherheit, wie es weiter gehen wird: Seit Monaten prägen diese Gefühle das Leben der Menschen in Kovel. Mit diesen und ähnlichen Worten hat Igor Chaika, der Bürgermeister der ukrainischen Stadt, seinem Amtskollegen Henning Schünhof vor wenigen Tagen den Alltag in Kovel beschrieben. Bei einer gut einstündigen Videokonferenz haben sich die beiden ausgetauscht und die weiteren Hilfsmaßnahmen abgestimmt..
„Wir machen uns ständig Sorgen um unsere Freunde und haben Angst vor einer Eskalation des Konflikts“, beschrieb der Barsinghäuser Verwaltungschef sein Seelenleben nach einem Jahr Angriffskrieg. „Ich verfolge täglich über die Medien in Kovel die Ereignisse in unserer Partnerstadt. Und die Berichte stimmen mich oft traurig“, sagte Henning Schünhof. „Wir spüren diese Sorgen und wissen, dass die Barsinghäuser echte Freunde sind“, versicherte Igor Chaika. Es tue den Menschen gut zu wissen, dass sie in dieser schwierigen Situation nicht allein seien mit ihren Sorgen und Nöten. Als sichtbares Zeichen der Anteilnahme und der Unterstützung hat die Barsinghäuser Stadtverwaltung zum Jahrestag des Überfalls auf die Ukraine auch eine ukrainische Flagge gehisst. Die Verwaltung wolle so ihre Solidarität mit den Menschen in der Partnerstadt ausdrücken, sagt Henning Schünhof.
Zu diesen Sorgen und Nöten gehört unter anderem die Versorgung von mehr als 5.000 Flüchtlingen aus der Ostukraine, die sich seit Monaten in Kovel aufhalten. „Es ist äußerst wahrscheinlich, dass diese Männer, Frauen und Kinder bei uns bleiben werden“, gab Igor Chaika eine Einschätzung. Zur Unterbringung dieser Flüchtlinge seien drei große Bauprojekte in Kovel geplant.
Der Alltag werde aufgrund der russischen Luftangriffe auf die Infrastruktur weiterhin durch regelmäßige und stundenweise Stromabschaltungen geprägt. „Insbesondere für die Versorgung des Krankenhauses werden Stromgeneratoren benötigt“, betonte der Bürgermeister Kovels. Henning Schünhof versicherte seinem Amtskollegen, dass die Barsinghäuser Verwaltung gemeinsam mit zwei Partnern mit Hochdruck daran arbeite, fünf dieser Aggregate demnächst in die Ukraine zu schicken. Anfang März könne es mit einer neuen Lieferung nach Kovel klappen.
Angesichts der häufigen und oft mehrerer Stunden andauernden Alarmierungen vor einem drohenden Luftangriff werden Igor Chaika zufolge in den Kellern vieler Schulen Unterrichtsräume eingerichtet. Auch in den Kindergärten werden entsprechende Räume hergerichtet. „Die Kinder leiden unter dieser Situation sehr stark. Es ist für sie eine enorme psychische Belastung“, erklärte er. Oftmals bekämen die Jungen und Mädchen keinen Schlaf mehr und lebten beständig in Angst.
Doch auch die Erwachsenen befinden sich seinen Worten zufolge seit Langem in einem seelischen Ausnahmezustand, zumal ein immer größerer Teil der männlichen Bevölkerung zu den Waffen gerufen werde. „Es gibt zwar Freistellungen für bestimmte Gruppen wie Mitarbeiter der Verwaltungen, Väter kinderreicher Familien und Ältere, die Männer in unseren Reihen werden aber von Tag zu Tag weniger.“ Während einige von ihnen sich freiwillig für den Einsatz an der Front gemeldet hätten, wären andere in anderen Bereichen der Landesverteidigung im Einsatz. „Bei meiner Lektüre der Koveler Medien muss ich zu meiner Bestürzung feststellen, dass fast täglich Traueranzeigen für Gefallene erscheinen. Ich kann meine Trauer dann kaum in Worte fassen“, sagt Henning Schünhof.
Wie sein ukrainischer Amtskollege hofft auch der Barsinghäuser Verwaltungschef auf ein schnelles Ende des Angriffskrieges. Zugleich sicherte er Igor Chaika zu, dass die Barsinghäuserinnen und Barsinghäuser bis zu diesem Zeitpunkt an der Seite der Menschen in Kovel stehen werden und sie weiterhin mit Hilfsgütern unterstützen werden, etwa mit dringend benötigten Elektrogeräten wie Waschmaschinen, Backöfen und Wasserkochern, Toastern und anderen Geräten für den täglichen Bedarf.
Die Barsinghäuser Stadtverwaltung hat zu diesem Zweck zu Beginn des Krieges ein Spendenkonto mit der IBAN DE29 2515 1270 0000 2686 49 eingerichtet. Zudem werden von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung unter der E-Mail-Adresse ukraine-hilfe(at)stadt-barsinghausen.de Fragen zu Spenden und den Hilfstransporten beantwortet.