Region. Seit 1970 kümmern sich Weißstorchbetreuer flächendeckend um den Weißstorch in Niedersachsen und Bremen. Ihre ehrenamtliche Tätigkeit üben sie seit 2011 in der Landesarbeitsgruppe (LAG) Weißstorchschutz des NABU Niedersachsen aus. Für das Jahr 2022 haben sie die Bestandszahlen ermittelt und legen diese nun in ihrer Jahresbilanz vor. Das Ergebnis ist auch in diesem Jahr insgesamt erfreulich..
In Niedersachsen/Bremen ließen sich 2022 rund 1.700 Weißstorchpaare nieder. Darunter waren auch wieder viele Neuansiedlungen. Diese Storchenpaare brachten rund 2.700 Jungstörche zum Ausfliegen. Noch nicht mitgezählt sind dabei die annähernd 270 fütterungsabhängigen Paare im Bereich von Zoos und Vogelpflegestationen mit ihrem Nachwuchs. Damit wurde das gute Ergebnis aus dem Jahr 2021 (1.547 Paare mit 2.264 flüggen Jungen) bei den Paaren erneut um 11 Prozent übertroffen. Den größten Zuwachs verzeichnen in diesem Jahr die Landkreise Rotenburg, Schaumburg und die Region Hannover. Bei den flüggen Jungen gab es gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung um 16 Prozent, obwohl die durchschnittliche Anzahl der Jungen pro Paar mit 1,63 unter dem langjährigen Mittelwert von 1,73 liegt. Durch die ständig wachsende Anzahl der Paare wird dieses Defizit aber bei der Gesamtjungenzahl mehr als ausgeglichen. „Dies ist der höchste Storchenbestand in Niedersachsen seit über 70 Jahren“, erklärt Hans-Jürgen Behrmann von der LAG Weißstorchschutz des NABU Niedersachsen. „Setzt sich diese Entwicklung fort, könnte in zwei Jahren sogar der Stand von 1934 (1.925 Paare in Niedersachsen) wieder erreicht werden.“ Somit hält die positive Bestandsentwicklung bei den Weißstörchen an. Niedersachsen liegt dabei voll im bundesweiten Trend und zählt mit Baden-Württemberg zu den beiden Bundesländern mit den meisten Storchenpaaren.
Hauptursache dafür ist das veränderte Zugverhalten vieler westziehender Störche. Sie fliegen nicht mehr nach Afrika, sondern überwintern bereits in Spanien, Portugal, Frankreich und zunehmend auch in Deutschland. Ihre Rückkehrquote ist deutlich gestiegen. Außerdem werden nun die geburtenstarken Jahrgänge insbesondere des Rekordjahres 2019 brutreif.
Viele Westzieher kommen von Jahr zu Jahr früher aus ihren Winterquartieren zurück. In einigen Regionen war die Mehrzahl der Brutstörche bereits Ende Februar wieder auf ihren Horsten eingetroffen. Die Ostzieher unter den Störchen brüten vor allem in den östlicheren Regionen Niedersachsens. Sie müssen weitaus längere und gefahrvollere Strecken auf dem Flug nach Afrika und zurück bewältigen und erleiden so auch größere Verluste. Die ersten Ostzieher trafen ab Mitte März ein. Aufgrund ungünstiger Zugbedingungen unterwegs zog sich die weitere Ankunft bis Anfang Mai hin.
Zunächst gute Nahrungsbedingungen fanden die meisten der Storchenpaare vor, die zeitig mit der Brut begannen. Von allen bekannten in Deutschland per Webcam einsehbaren Nestern geschah dies am frühesten bereits am 11. März in Hohne im Kreis Celle. Anfangs gab es auch noch genügend der für die erste Phase der Jungenaufzucht so wichtigen Regenwürmer. Auch der späte Umbruch von Äckern zur Frühjahrsbestellung förderte manches Kleingetier zutage. Dann wurde es immer trockener. Probleme bekamen nun vor allem die später brütenden Paare, zu denen viele Ostzieher und junge Erstbrüter gehörten. Bei ihnen wurde das Futter knapp, und die Zahl der Jungen im Nest reduzierte sich zum Teil erheblich. Dies trifft insbesondere auf die Kreise Celle, Verden, Lüneburg und Lüchow-Dannenberg zu. Erhebliche Verluste bei Jungen und Altstörchen aufgrund von Vogelgrippe gab es im Kreis Wesermarsch. In den übrigen Betreuungsgebieten war dies nicht der Fall. Ein besonders gutes Ergebnis bei den flüggen Jungen erzielten diesmal die Storchenpaare in den Kreisen Vechta, Rotenburg, Peine und Göttingen.
„Insgesamt war 2022 für die Weißstörche in Niedersachsen und Bremen ein gutes Jahr“, bilanziert Hans-Jürgen Behrmann und betont: „Die Aussichten sind günstig, dass die Storchenpopulation in den nächsten Jahren weiter ansteigt, zumindest solange die Müllkippen insbesondere in Spanien zur Nahrungssuche offen sind. Daher gilt es, bei uns für die Störche und ihren Nachwuchs weiter ausreichend Feuchtgrünland mit entsprechenden Biotopen zu erhalten und darüber hinaus neu zu schaffen.“