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„Lange hat es gedauert. Das Verfahren Wahle-Mecklar ist weit fortgeschritten. Nun endlich werden unsere Forderungen nach wissenschaftlichen Untersuchungen zum Erdkabeleinsatz in Niedersachsen aufgegriffen,“ kommentiert Landvolkvizepräsident Dr. Holger Hennies die Präsentation der Versuchsanlage des Stromnetzbetreibers Tennet. In der Endphase des Genehmigungsverfahrens bietet die Tennet TSO in Zusammenarbeit mit der Universität Göttingen einen Versuch mit 50 Meter Kabellänge auf einem 2.500 Quadratmeter großen Versuchsfeld unter guten Standortbedingungen. „Immerhin!“, sagt Hennies und bezeichnet es als höchst bedauerlich, dass sich Tennet - anders als die Amprion in Raesfeld - gegen einen Exaktversuch an der echten Stromtrasse entschieden hat. Die Versuchsdauer von fünf Jahren liefert die Ergebnisse zudem sehr spät. Während im Projekt Raesfeld in Nordrhein-Westfalen die Sensoren längst in der Erde liegen, fehlte in Niedersachsen bisher die Bereitschaft zu wissenschaftlich fundierter Auswertung von Langzeiteffekten der Erdkabel. Das Landvolk hat bereits früh an den Forschungsauftrag des Gesetzgebers mit Pilotprojekten und wissenschaftlicher Auswertung unter Standortbedingungen hingewiesen. Nun richtet sich der Blick nach Göttingen auf das Klostergut Reinshof. Das Institut der Uni Göttingen genießt einen Vertrauensvorsprung, der dem Projekt helfen könnte. Für den Versuch hat die Tennet in Göttingen einen Standort mit sehr homogenen Bodenverhältnissen ausgewählt, der nicht repräsentativ für Niedersachsen ist. Auch die Unterschiede in der Dimension fallen auf: Bei Wahle-Meckla werden gut 20 Kilometer getestet, im SuedLink-Vorhaben ist eine Erdkabelstrecke von insgesamt mehr als 1.200 Kilometer vorgesehen. Mit Blick auf diese sehr ungleichen Größenordnungen spricht Hennies von einem „Versuch im Miniaturmaßstab“. Das Erdkabel spielt bisher im Höchstspannungsnetz keine Rolle: Das gesamte europäische Verbundnetz für Wechselstrom nutzt fast ausschließlich Freileitungen. Aufsummiert erreichen sie eine Länge von 110.000 Kilometern. Erdkabel haben im gesamten Höchstspannungsnetz lediglich in Frankreich und Deutschland aktuell einen Anteil von weniger als 0,3 Prozent. Im direkten Vergleich zu Freileitungen sind Erdkabel aufwändiger und teuer: Die gleiche Übertragungsleistung erfordert mehrere Kabelsysteme. Angesichts der unbekannten Auswirkungen werden nunmehr aber auch handfeste Auflagen der Übertragungsnetzbetreiber für die Landwirtschaft bekannt. Da bei der Korridorplanung bisher fast keine Rücksicht auf landwirtschaftliche Belange genommen wurde, ist vielfach die gesamte Nutzung der durchschnittenen Flurstücke stark betroffen. Bislang verneinten die Vorhabenträger einen Einfluss der Erdkabel auf die landwirtschaftliche Nutzung. Die aktuell ausliegenden Unterlagen im SuedLink-Verfahren schreiben der Landwirtschaft jedoch Vorbehalte und Nutzungseinschränkungen vor. Erneut stellt sich die Frage der Akzeptanz aus dem Blickwinkel der Sozialpflichtigkeit des Eigentums. Eine Beschleunigung unter Auflagen für Eigentümer und Bewirtschafter erscheint unrealistisch. „Die damalige Hau-Ruck-Entscheidung für das Erdkabel mutet an, als wolle man einen Piloten mit Segelflugschein zum Mond schicken“, vergleicht Hennies. Für Land- und Forstwirte bleiben zum Erdkabel leider weiter viele Fragen offen. „Jeder Besucher, der einmal die Erdkabelbaustelle in der Dimension einer Autobahn gesehen hat, kann die Befürchtungen unserer Landwirte zu den massiven Auswirkungen der Erdkabel auf ihre landwirtschaftlichen Kulturen nachvollziehen“, sagt Hennies. Jeder betroffene Grundeigentümer und Flächennutzer kann und sollte seine Bedenken im bis Mitte Juni laufenden Beteiligungsverfahren bei der Bundesnetzagentur schriftlich kundtun.