Offener Brief - ÖPNV und SEV sorgen weiter für Ärger bei Pendlern

Region. Der Ärger um den schlechten ÖPNV in der Region bricht nicht ab. Immer mehr Menschen äußern ihren Unmut über die Zustände beim S-Bahn Anbieter Transdev, oder der Umsetzung des Schienenersatzverkehrs (SEV) aufgrund diverser Baustellen. Wurde die Verkehrswende und der Wert des ÖPNV – auch in ländlichen Regionen – groß Angekündigt, vertrauen immer weniger Menschen den „Öffis“ und setzen auf ihr Auto – sofern diese Alternative besteht. Carmen Eickhoff, Familienfrau, Selbstständige und Ratsfrau aus Barsinghausen sammelte Erfahrungen von Pendlern, um diese Wut weiterzugeben..

„Sehr geehrter Verkehrsdezernent der Region Hannover Ulf-Birger Franz, mit Bitte um Weiterleitung auch an der Verkehrsausschuss der Region Hannover (Mail: via Team Verkehr), 

sehr geehrte Geschäftsführer der Transdev Hannover GmbH Hartmut Körbs und Roman Bartels,

sehr geehrte Geschäftsführende der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen Carmen Schwabl und Christian Berndt, 

sehr geehrter Verkehrsminister des Landes Niedersachsen Olaf Lies, 

sehr geehrte Zuständige der DB Netz (leider nur Telefon oder Kontaktformular angegeben),

sehr geehrter Bürgermeister der Stadt Barsinghausen Henning Schünhof, 

sehr geehrte Vertreter:innen der Medien,

stellvertretend für tausende (Zehntausende?) entkräftete und entnervte Pendelnde aus der westlichen Region Hannover bis Bad Nenndorf stelle ich Ihnen unser Leben seit 12. Juni 2022 vor. Werden Sie aktiv und helfen uns! 

Die Umstellung auf den Betrieb durch Transdev verlief bekanntermaßen holprig. Monatelang. 

Arbeitsplätze und Schulen haben kein Verständnis für ewige Verspätungen. In der Freizeit mit der Bahn zum Ziel? Ein Risiko. 

Es ist die Ausnahme, dass eine Verbindung pünktlich fährt, wegen 10 Minuten Verspätung regt sich niemand auf. Oberleitungsschäden, Stellwerksstörungen, fehlendes Personal: wir stehen tagein, tagaus am Gleis und aus kleinen Verspätungen werden zwei Stunden (!) später Zugausfälle. 

Betreffend die aktuelle Baumaßnahme auf der Strecke Hannover-Weetzen-Haste stelle ich unten Erfahrungen von Pendelnden von nur einem Tag vor. Ein Tag nach bereits zwei Wochen SEV.  

Wir hätten uns schon erhofft, dass es besser eingespielt ist. 

Die Baumaßnahme wurde zunächst bis 22.12. verlängert, heute erfahren wir aus der hannoverschen Allgemeinen Zeitung, dass es bis in den Januar dauern wird. Eventuell bis März. 

Wir verstehen, welches Problem sich aus welchem ergibt. ABER: Was sollen wir machen??!!

Wir müssen mit dem Zug nach Hannover! Wir haben keine Autos! 

Der SEV muss funktionieren! 

Wir stranden ohnehin regelmäßig irgendwo, besonders in der Nacht, weil die Bahn vor dem Zielbahnhof umdreht, um Verspätungen wieder reinzuholen. (Hannover-Weetzen-Haste endet oft spontan in Barsinghausen und dreht um, oder in Bantorf.) 

Um ohne Taxi und privaten Fahrdienst nach Hause zu kommen, müssen wir hexen. Oder acht Kilometer durch die Dunkelheit wandern. Man weiß nicht, ob wirklich noch ein Folge-Zug kommt! Gefühlt kommt er meistens nicht. 

Das ist unser Alltag, WENN die Züge fahren. 

Jetzt „ist SEV“, seit Wochen. Noch für Monate. Kurz: 

  • die Busse kommen selten und selten pünktlich,
  • dadurch klappen die ohnehin deutlich länger dauernden Puzzle-Verbindungen in den Anschlüssen nicht, 
  • die Fahrer:innen kennen die Strecken nicht und können sich nur Hilfe bei Fahrgästen holen, wenn eine gemeinsame Fremdsprache gegeben ist. Aber die Fahrgäste kennen die Route für SEV auch nicht,
  • die Fahrer:innen haben anscheinend keine Navis und benutzen (ungerne) private Handys dafür, 
  • die Busse sind zu voll ab Egestorf Richtung Wennigsen, 
  • AM SCHLIMMSTEN: die Info-Apps werden nicht zuverlässig mit den Daten gespeist. 

Wir sind hilflos und verlassen!

Was sollen wir tagein, tagaus unseren Arbeitsstellen und in der Schule sagen, wann wir ankommen? 

Wieviele Termine sollen wir noch ausfallen lassen? 

Auch Selbständige nutzen die Bahn für Arbeitstermine, das vernichtet inzwischen längst Existenzen! 

Bitte lesen Sie einfach unten die Erfahrungen eines Tages von einer winzigen Zahl Pendelnder. Sie steht pars pro toto. 

Es gibt keine schriftliche Antwort, die uns helfen würde. 

Werden Sie aktiv und ertüchtigen einen zuverlässigen ÖPNV, wenigstens aber einen zuverlässigen SEV.

Uns würde helfen, wenn sich die Verantwortlichen der Netzbetreiber und des Bahnbetreibers generell zusammensetzen und das Hickhack der Zuständigkeiten endlich beilegen. 

Akut würde uns helfen, wenn Sie den SEV samt Infos in den Apps zu 80% verlässlich machen. 

Für uns würde es sich anfühlen wie 105%! 

Können Sie sich vorstellen, was wir täglich, seit 1,5 Jahren und momentan absolut verschärft organisieren, damit wir in die Krankenhäuser, in die Supermärkte, auf die Bauhöfe, Baustellen und zu anderen Arbeitsplätzen kommen, damit wir für Sie und alle anderen Einwohnenden der Region tätig sein können? 

Wir sind fix und fertig, und deswegen erhalten Sie vermutlich deutlich weniger solcher Schreiben, als es angezeigt wäre. 

Wir sind fix und fertig, aber wir reißen uns jeden Tag zusammen und versuchen unser Bestes und erreichen unsere Arbeitsplätze noch irgendwie unter größter Kraftanstrengung. 

Aber nicht mehr lange. 

Ausgerechnet die Pendelnden sind zum großen Teil Arbeitskräfte mit Anwesenheitspflicht. Die Krankenschwester kann kein Homeoffice machen. Die Logistikfachkräfte und angestellte Handwerksleute auch nicht, ebensowenig wie das Verkaufspersonal in Supermarkt und Co. 

Helfen Sie uns endlich! 

Antworten Sie nicht, werden Sie effektvoll aktiv! 

Sprinti ab Montag, 10.12., kann nicht alles rausholen, die Kapazitäten werden nicht reichen. â€ž

 

Völlig verzweifelte Grüße, 

Carmen Eickhoff (für tausende Pendelnde), 

Ratsfrau B90/Grüne Barsinghausen, 

Selbständige, 

Familienfrau mit vier Pendelnden, 

leider nicht mehr überzeugte ÖPNV Nutzerin